Stammzellentherapie:Hoffnung im Auge

Shoukrat Mitalipov, Leiter der Forschungsgruppe in Oregon, am Mikroskop

Shoukrat Mitalipov, Leiter der Forschungsgruppe in Oregon, am Mikroskop 

(Foto: Health & Science University)

Die Stammzellentherapie soll bisher unheilbaren Leiden einen Großteil ihres Schreckens nehmen. Sie verspricht viel - und kann wenig halten. Derzeit.

Von Katrin Blawat

Parkinson und Alzheimer, Multiple Sklerose und Herzerkrankungen, Arthritis und Diabetes: Das sind nur einige der vielen Krankheiten, die immer wieder erwähnt werden, wenn es um potenzielle Therapien mit embryonalen Stammzellen geht. Diese besonderen Zellen sollen zahlreichen, bisher unheilbaren Leiden einen Großteil ihres Schreckens nehmen.

Besonders lang hoffen darauf schon Menschen mit Verletzungen des Rückenmarks. An drei solcher Patienten begann 2010 auch der weltweit erste Therapie-Versuch mit embryonalen Stammzellen. Das verletzte Rückenmark sollte dank der Injektionen wieder zusammenwachsen, hofften Ärzte und Patienten. Doch nach knapp zwei Jahren stoppte das kalifornische Biotech-Unternehmen Geron die Versuche wegen Geldmangels. Gelähmte wieder zum Laufen zu bringen - das hat die Therapie mit embryonalen Stammzellen bis heute nicht geschafft.

Dafür hat sie Menschen, die nahezu blind waren, einiges an Sehkraft zurückgeben können - der bislang größte Erfolg. 2012 spritzten amerikanische Ärzte zwei so gut wie blinden Patienten Zellen ins Auge, die sie aus Embryonen entwickelt hatten. Die beiden Patienten litten an Makuladegeneration; bei der Krankheit sterben Zellen in der Netzhaut ab, was zur Erblindung führt. Die Therapie besteht darin, dass die abgestorbenen Zellen von jenen ersetzt werden, die Forscher zuvor aus embryonalen Stammzellen gezüchtet haben.

Offenbar vertrugen die beiden Frauen die Behandlung gut - und profitierten auch davon, denn ihr Sehvermögen hat sich seitdem etwas gebessert. Mittlerweile hat das amerikanische Biotech-Unternehmen ACT, das die Therapie entwickelte, insgesamt zehn stark sehbehinderte Menschen mit Makuladegeneration auf diese Weise behandelt. In diesem Jahr erhielt zudem erstmals ein Patient die Zelltherapie, der noch recht gut sehen kann. Dieser Test soll zeigen, ob sich die Behandlung auch für ein frühes Krankheitsstadium eignet.

Auch erste Patienten mit einer weiteren schweren Augenkrankheit, die ebenfalls Netzhaut-Zellen absterben lässt, haben den Zellsud schon ins Auge injiziert bekommen. Wie es weitergehen soll, hat das Unternehmen bereits angekündigt: Demnächst will es seine Stammzellentherapie an extrem kurzsichtigen Menschen testen.

Bislang scheint die Therapie zumindest nicht geschadet zu haben - und das gilt bereits als großer Erfolg, wenn Ärzte ihre Patienten mithilfe embryonaler Stammzellen behandeln. Denn immer besteht dabei die Gefahr, dass sich die injizierten Zellen zu ungestüm vermehren und so schließlich zu Krebs führen können. Und auch wenn die bisher Behandelten davor bislang verschont geblieben sind: Nach nur rund einem Dutzend Patienten lässt sich kaum abschätzen, wie sicher die Therapie ist. Selbst wenn sie sich als ungefährlich und wirkungsvoll im Kampf gegen die Augenleiden herausstellen sollte, vergrößert das die Heilungschancen für Patienten mit anderen Krankheiten noch lange nicht.

"Werkseinstellungen wiederherstellen"

Manche Forscher setzen außer auf jene Stammzellen, die aus Embryonen gezüchtet werden, noch auf eine andere Variante. Dafür wird zum Beispiel eine normale Hautzelle mithilfe mehrerer Substanzen umprogrammiert. Im Prinzip soll damit Ähnliches erreicht werden, wie wenn man seinem Computer oder Handy den Befehl gibt "Werkseinstellungen wiederherstellen": Zurück auf null, alle bisher gespeicherten Informationen werden gelöscht. Bei einer Hautzelle hat das den Vorteil, dass sie sozusagen ihre alte Identität vergisst - und der Forscher sie zum Beispiel in eine Netzhaut-Zelle umwandeln kann.

Für die Erkenntnisse, wie diese Umwandlung funktioniert, erhielt der Japaner Shinya Yamanaka zusammen mit einem Kollegen im vergangenen Jahr den Medizin-Nobelpreis. Nun will Yamanaka sein Wissen anwenden, um mithilfe der umgewandelten Stammzellen ebenfalls Patienten mit Makuladegeneration zu helfen.

Embryonale Stammzellen

Embryonale Stammzellen

(Foto: SZ-Grafik)

"Das ist aber mindestens ebenso riskant wie die Therapie mit embryonalen Stammzellen", sagt Wolfgang-Michael Franz vom Klinikum der Uni München. "Da haben wir die gleichen Probleme." Dies ist der Hauptgrund, warum es bislang noch keine klinischen Versuche mit den umprogrammierten Stammzellen gibt. Neben Yamanaka will allerdings ein weiterer Forscher zum Pionier auf diesem Gebiet werden: der Amerikaner Robert Lanza. Er gehört zu dem Team, das bereits mit embryonalen Stammzellen Patienten zu heilen versucht. Geht Lanzas Plan auf, könnten noch in diesem Jahr die ersten Menschen Blutplättchen erhalten, die mithilfe von umprogrammierten Stammzellen gewonnen wurden. Blutplättchen sind wichtig für die Blutgerinnung - und deshalb vor allem für Unfallopfer ein überlebenswichtiges Gut.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: