Stammzellen:Kleine Klumpen mit großem Potenzial

Forscher wollen aus geklonten Körperzellen Ersatz für kranke Organe züchten - ob sie Erfolg haben, ist ungewiss.

Von Wiebke Rögener

München - Beim Begriff "Klonen" denken die meisten Menschen wohl an Dolly, das früh gestorbene Klonschaf, oder an visionäre Bilder von Dutzenden identischer Babys.

Geklonter Embryo

Der erste in Großbritannien und damit in der westlichen Welt geklonte Embryo.

(Foto: Foto: dpa)

Im wirklichen Leben sind die Klone aus Korea, die jetzt Schlagzeilen machen, dagegen unscheinbare Zellklümpchen. Mit großem Potential allerdings. Jede einzelne der elf Stammzell-Linien, die daraus gewonnen wurden, enthält das kopierte Erbgut eines Kranken.

Die geklonten Zellen könnten den Spendern eingepflanzt werden, ohne dass deren Immunsystem sie als fremd erkennen und abstoßen würde (Sciencexpress 19.5.2005). Fast gleichzeitig berichten Forscher um Miodrag Stojkovic von der Universität Newcastle über erfolgreiche Experimente mit menschlichen Eizellen. Aus 36 Eizellen gewannen sie drei Klone, von denen einer sich bis zur Kugelform weiterentwickelte (RBM online).

Klonen mit neuer Effizienz

Dergleichen ist dem Team um den koreanischen Veterinärmediziner Woo Suk Hwang nicht zum ersten Mal gelungen. Schon im Februar 2004 erregten seine menschlichen Klone Aufsehen. Neu ist die Effizienz der Hwang-Gruppe: Aus 185 gespendeten Eizellen junger Frauen wurden 31 Embryonen erzeugt, die zu elf Zelllinien führten. Vor einem Jahr verbrauchte er noch 242 Eizellen, um eine einzige Stammzell-Linie zu gewinnen.

Eihülle mit fremdem Kern

Damit entfällt zumindest ein Argument, um Gegner jeglicher Klonversuche zu beruhigen: Das Klonen von menschlichen Embryonen nach der "Dolly-Methode" sei so schwierig, dass in absehbarer Zeit nicht mit größeren Erfolgen zu rechnen sein, hieß es noch 2003 bei der Klonkonferenz des Bundesforschungsministeriums in Berlin.

Es gäbe "keine normalen Klone", ein so erzeugter menschlicher Embryo wäre höchstwahrscheinlich schwer geschädigt, erklärte dort der Biologe Rudolf Jaenisch. Auch nach den jüngsten Erfolgen ist er sicher, dass das Erzeugen von Babys auf diesem Wege "nicht sicher ist und nicht funktioniert" (Science, Bd. 308, S. 1096, 2005).

Tatsächlich fehlt für die hin und wieder geäußerte Behauptung, Babys aus der Klonküche lebten bereits unter uns, jeder Beweis. Gelungen ist in Korea das so genannte "therapeutische Klonen", nicht aber die Produktion von Kindern, deren Erbgut mit dem anderer Menschen identisch ist, das "reproduktive Klonen". Letzteres habe er keineswegs vor, beteuert Hwang.

Begehrtes Material in der Hohlkugel

Zunächst aber gleichen die zwei Varianten einander wie ein Klon dem anderen. In beiden Fälle wird aus der befruchteten Eizelle einer Spenderin der Zellkern entfernt. Dem Menschen, dessen Erbgut geklont werden soll, entnehmen die Forscher eine Körperzelle, in Hwangs Versuchen aus der Haut. Deren Zellkern wird in die leere Eihülle geschleust.

Was dann geschieht, verstehen Wissenschaftler bis heute nicht genau. Denn normalerweise sind in einer spezialisierten Körperzelle zwar alle Gene vorhanden, doch nur diejenigen sind aktiv, die für die jeweilige Aufgabe benötigt werden.

Der Rest ist stillgelegt, sodass eine Hautzelle nicht etwa auch als Leber- oder Muskelzelle arbeiten kann. Offenbar programmieren aber Botenstoffe der Eizelle das Erbgut des übertragenen Zellkerns neu: Gene, die für die Embryonalentwicklung nötig sind, werden aktiv; Gene, die für Aufgaben im ausgewachsenen Organismus zuständig waren, werden abgeschaltet. Die Eizelle beginnt sich zu teilen.

Innerhalb weniger Tage entsteht daraus eine Hohlkugel, die Blastozyste. In ihrem Inneren befinden sich die embryonalen Stammzellen, die sich entweder zu einem Organismus entwickeln können - oder aber begehrtes Material für die Forschung sind.

Jahrzehnte bis zur Gentherapie

Erst was jetzt geschieht, bestimmt darüber, ob vom allgemein geächteten Babyklonen oder vom zwar umstrittenen, aber auch mit Hoffnungen verknüpften Forschungsklonen gesprochen werden muss. Würde der Embryo in die Gebärmutter einer Frau eingepflanzt, könnte - zumindest im Prinzip - ein Klonkind zur Welt kommen.

Im anderen Fall wird der Embryo zerstört, die Stammzellen werden entnommen und in Kulturschalen gezüchtet. Ziel der Forscher ist es, diese omnipotenten Zellen in bestimmte Entwicklungsrichtungen zu drängen.

So entstanden aus Hwangs Embryonen mal Haut-, mal Muskel- oder Knochenzellen. Ob daraus eines Tages Ersatz für verletzte Organe oder erkrankte Gewebe gezüchtet werden kann, ist offen. Vorerst hoffen die Forscher, an solchen Kulturen beispielsweise Medikamente zu testen. Wenn überhaupt, werde es Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis Klon-Experimente zu neuen Behandlungsmöglichkeiten führten, berichtet das U.S. National Research Council.

Dies müsse man vor allem Frauen klarmachen, die bereit sind, Eizellen zu spenden, weil sie sich einen Nutzen für kranke Angehörige versprechen, schreiben David Magnus und Mildred Cho von der Stanford Universität. Man solle daher nicht "Therapie" sagen, wenn man "Forschung" meine: "So etwas wie 'therapeutisches Klonen' gibt es derzeit nicht." (Sciencexpress 12.5.2005)

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