Pflanzen unter Hitzestress:"Den Superbaum gibt es nicht"

Gießkannen zum Bäume wässern

Die Hitzewelle macht vielen Bäumen zu schaffen. Manche Kommunen haben ihre Bürger bereits aufgefordert, die Bäume in ihrer Nachbarschaft zu wässern.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Bäume in Not: Jeder dritte im Frühjahr gepflanzte Baum, drohe zu vertrocknen, heißt es etwa aus Hessen.
  • Forscher testen, welche Bäume mit den geänderten klimatischen Bedingungen gut zurechtkommen. Diese sollen in Zukunft gepflanzt werden.

Von Hanno Charisius

Wenn Bäume leiden, wächst das Mitgefühl der Deutschen. In vielen Städten macht die anhaltende Hitze vor allem jüngeren Gewächsen zu schaffen. Jeder dritte im Frühjahr gepflanzte Baum, drohe zu vertrocknen, heißt es aus Hessen. Manche Kommunen haben ihre Bürger bereits aufgefordert, die Bäume in ihrer Nachbarschaft zu wässern. In einigen Städten soll sogar die Feuerwehr mehrmals ausgerückt sein, um gefährdetes Grün zu retten. Wer eine Baumpatenschaft übernommen hat, muss Wasser schleppen, damit sein Schützling diesen Sommer schadlos übersteht.

Was die Baumliebe vieler Deutscher weckt, ist für Forscher hingegen ein idealer Testlauf. Die momentane Wetterlage gibt einen Ausblick auf die Zukunft. Wochenlange Trockenheit und regelmäßig Temperaturen über 30 Grad: Was heute noch die Ausnahme ist, wird nach den Vorhersagen von Klimaforschern in einigen Jahrzehnten der Normalzustand im Sommer sein. Bäume, die das aktuelle Wetter überstehen, sind daher gute Kandidaten, um die gewohnten deutschen Stadtbäume Linde, Ahorn, Eiche, Esche und Birke zu ersetzen. Tatsächlich ist abzusehen, dass den Traditionsbäumen das Leben in der Stadt bald endgültig zu hart wird.

"Die Linde scheint die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit erreicht zu haben", sagt Philipp Schönfeld von der Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). "Was das sich ändernde Klima noch nicht erledigt hat, schaffen Schädlinge." Pilze zum Beispiel, die einem gesunden Baum normalerweise nichts anhaben können, sind für Pflanzen im Trockenstress lebensgefährlich. "Auch die Esche kann man nicht mehr guten Gewissens empfehlen", sagt der Leiter des LWG-Sachgebiets Pflanzenökologie und Pflanzenverwendung. Ein Pilz löst das Eschentriebsterben aus, "der macht ganze Wälder platt."

In der Stadt haben es die Bäume besonders schwer

Auch den Waldbäumen macht der Klimawandel zu schaffen, und Förster müssen für ihre Bestände ebenfalls nach geeigneten neuen Sorten suchen. In der Stadt aber verschärfen sich die Probleme noch deutlich. "Die typischen deutschen Bäume sind Waldbaumarten, die leiden wenn man sie in die Stadt bringt", sagt Joachim Bauer vom Amt für Landschaftspflege und Grünflächen in Köln. Der Untergrund sei dort komplett anders.

Auch überirdisch herrschen andere Bedingungen, und das liegt nicht nur am Hunde-Urin: Licht kommt von allen Seiten, über versiegelte Böden fließt der Regen über die Kanalisation ab, statt im Boden zu versickern. Kronen und Wurzeln haben weniger Platz. Die Luft ist dreckig, und Städte heizen sich stärker auf als das Land. "In Städten haben wir schon kein mitteleuropäisches Klima mehr, sondern eher ein mediterranes, deshalb brauchen wir hier eine andere Vegetation", erklärt Bauer. "Noch funktionieren die alten Stadtbaumarten halbwegs, aber der Sommer zeigt ganz klar die Grenzen."

Welche Sorten und Arten als Stadtbaum der Zukunft infrage kommen, wird derzeit in ganz Deutschland erprobt. "Seit mehr als 20 Jahren machen wir Straßenbaumtests", sagt Bauer, der den Arbeitskreis "Stadtbäume" der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (Galk) leitet. Die Galk ist ein Zusammenschluss der kommunalen Grünflächenverwaltungen. Akribisch dokumentieren die beteiligten Betriebe auf der Webseite der Galk, wie sich welche Bäume an welchen Standorten zwischen Hamburg, Köln und München entwickeln. "Einmal längs durch Deutschland", betont Bauer, "das ist wichtig, weil überall andere Bedingungen herrschen."

Nadelbäume werden bislang nicht getestet. In anderen Ländern säumen sie längst Straßenzüge

Philipp Schönfeld und seine Kollegen verfolgen ein ähnliches Projekt, die Standorte liegen allerdings allesamt in Bayern. 30 Baumarten und -sorten haben er und seine Kollegen im Test. Bislang ist noch kein Nadelbaum unter den Testkandidaten, obwohl Schönfeld da großes Potenzial sieht. Die Schwarzkiefer wäre seiner Meinung nach eine Option aber auch Exoten wie die Himalajazeder, die in China viele Straßen säume. Auch den Mammutbaum kann sich Schönfeld an deutschen Straßen vorstellen. Der lasse sich gut "aufasten", also von den unteren Ästen befreien, damit keine Lastwagen hängen bleiben.

In Wäldern wird das Pflanzen von ortsfremden Bäumen vor allem von Umweltschutzverbänden scharf kritisiert, aus Furcht, die "Fremdländer" könnten die heimischen Arten verdrängen und ganze Ökosysteme aus der Balance bringen. Im Ökosystem Stadt spielen solche Überlegungen eine nachgeordnete Rolle. "Ohne neue Bäume kämen wir in der Stadt nicht weit", sagt Joachim Bauer. Die Kandidaten für den Stadtbaum der Zukunft kommen aus der ganzen Welt. Vor allem Regionen mit heißen Sommern und kalten Wintern sind als Baumspender interessant, denn trotz stetiger Erwärmung der Städte im Sommer müssen die Bäume auch weiterhin mit Frost und viel Feuchtigkeit im Winter umgehen können. Das schaffen viele Gewächse aus dem Mittelmeerraum nicht.

Wenn man gießt, dann richtig - Ein paar hundert Liter dürfen es schon sein

Der Ginkgo erfüllt wie nur wenige andere Baumarten die geforderten Ansprüche. "Das ist ein faszinierender Baum, äußerst robust, der wächst sogar in New York", schwärmt Bauer. Zwei Ginkgosorten hat die Galk im Test, beide schmalkronig, damit sie in Straßenzüge passen. In Bayern wird ebenfalls eine Ginkgosorte erprobt. Doch Schönfeld bremst die Vorstellung, bald würden überall zwischen Flensburg und Freilassing Ginkgobäume Schatten spenden. "Es wird nicht den einen Superbaum geben." Mehr noch als in der Vergangenheit werden die Stadtgärtner sich den geplanten Standort sehr genau anschauen müssen und dann eine geeignete Wahl treffen, "sonst hat der Baum keine Chance."

Während der gegenwärtigen Hitzewelle plädiert Schönfeld durchaus dafür, Bäume in der Stadt zu bewässern. Wenn man gieße, dann aber gleich lieber richtig mit ein paar Hundert Litern und nicht nur einem Eimer voll. Wichtig sei auch, die Baumscheibe vorm Wässern aufzulockern, das ist der schmale Streifen Erde um den Baumstamm, der gerne als Hundeklo angesehen wird. Joachim Bauer hingegen sieht keinen "nachhaltigen Akt" darin, ältere Bäume zu Wässern. "Schlecht aufgestellte Bäume sind langfristig nicht zu retten. Wir werden viele austauschen müssen."

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