Staaten legen Klimaziele fest:In der Abwärtsspirale

Die Klimaziele von 56 Staaten sind mitunter noch schwammiger als ihr Angebot vor der Klimakonferenz. Die Welt steckt in der Abwärtsspirale. Sie führt direkt ins Treibhaus.

Michael Bauchmüller

Wenn es noch einen Beleg für die Erstarrung im Klimaschutz braucht, er liegt nun vor, ein Konvolut kollektiven Scheiterns. In dürren Briefchen haben 56 Staaten der Weltgemeinschaft mitgeteilt, was sie gegen den Klimawandel zu tun gedenken. Die Staaten hatten das so auf dem Klimagipfel in Kopenhagen vereinbart: Bis zum 31. Januar sollten möglichst viele Regierungen die Karten auf den Tisch legen - sozusagen als Verhandlungsgrundlage für weitere Gespräche. Zumindest die größten Staaten haben sich daran gehalten. Nur sind diese Bekenntnisse garantiert keine Grundlage für den gemeinschaftlichen Kampf gegen die Erderwärmung, im Gegenteil.

Floskeln, Bedingungen, Vorbehalte - mehr bringen die Staaten sechs Wochen nach der kolossalen Pleite von Kopenhagen auch nicht zustande. China und Indien etwa lassen wissen, sie wollten sich um ein klimafreundlicheres Wachstum "bemühen", selbstverständlich auf rein freiwilliger Basis.

Kanada macht seine Anstrengungen neuerdings von jenen der USA abhängig, die wiederum nur dann etwas liefern können, wenn der Kongress sich auf ein Klimagesetz verständigt. Dürftig bleibt das amerikanische Angebot im Klimaschutz allemal. Andere Industriestaaten, die EU, Japan, Australien, machen ernsthaften Klimaschutz ohnehin nur, wenn sie nicht alleine stehen.

Es gilt der erste Hauptsatz des Klimaschutzes: Keiner bewegt sich, solange der andere nichts macht. Am Ende bewegt sich keiner. Ursprünglich sollte das massive Aufgebot von Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen dieses Kerndilemma beheben. Stattdessen ist es nun auch für den letzten Optimisten manifest: Niemand hat seit Kopenhagen seine Zusagen im Klimaschutz überdacht. Was die Staaten schriftlich an Zielen eingereicht haben, ist mitunter noch schwammiger als ihr Angebot vor und während der Klimakonferenz. Die Welt steckt in der Abwärtsspirale. Sie führt direkt ins Treibhaus.

Ein Ausweg zeichnet sich nicht ab. Eigentlich dürfte nun kein Tag mehr vergehen ohne wichtige Gespräche zum Klimaschutz. Doch sie finden nicht statt. Selbst wenn es gelänge, bis Ende des Jahres ein neues Abkommen auszuhandeln, könnte es nur mit Müh und Not rechtzeitig das Kyoto-Protokoll ersetzen, das Ende 2012 ausläuft.

Nur: Worauf warten die Staaten noch? Alle Bekenntnisse zum Klimaschutz sind ausgetauscht. Seine Folgen sind für manche Länder schon jetzt spürbar und werden es für alle anderen in absehbarer Zeit sein. Technologien, die ein Wachstum auch ohne Verbrennung endlicher Rohstoffe erlauben, sind bekannt und erprobt. Die Notwendigkeit eines global organisierten Klimaschutzes ist allgemein akzeptiert.

Auf Dauer bleibt keiner verschont

All das war vor Beginn der Konferenz in Kopenhagen so bekannt wie heute; es hat, ungeachtet unzähliger wohlmeinender Bekenntnisse, keine Früchte getragen. Sollten nicht Länder wie Japan und die EU-Staaten noch einmal eine Initiative ergreifen, sollte Barack Obama mit seinem Klimagesetz scheitern, wird es auch in Mexiko kein Abkommen geben. Doch Japan plagt derzeit die Wirtschaftskrise mehr als das Klima, die Europäische Union hat - wie übrigens auch die deutsche Bundesregierung - jede Führungsrolle im Klimaschutz aufgegeben, die Aussichten für ein Klimagesetz in den USA haben sich verdüstert. Dass Mexiko, der nächste Gastgeber, als einziges großes Schwellenland bisher zu seinen Klimazielen schweigt, spricht Bände.

Dies alles muss nicht das Ende der Bemühungen gegen die Erderwärmung sein. Es wäre aber das Ende eines ausgleichenden und ausreichenden Klimaschutzes. Staaten werden zunehmend auf grüne Technologien setzen, schon um Ressourcen zu sparen; Klimaschutz wird quasi zum Nebenprodukt. Doch eine Garantie dafür, eine gegenseitige, überprüfbare Zusage, wird es nicht geben.

Insbesondere jene Staaten, die schon jetzt Folgen des Klimawandels spüren, ohne je den Wohlstand der Industriestaaten auch nur erahnt zu haben, werden das nicht akzeptieren. Die Rolle der Vereinten Nationen im Klimaschutz wird daran zerbrechen, mehr noch: Sie wird bei der Lösung globaler Probleme insgesamt in Frage stehen. Für einen Ausgleich zwischen Profiteuren und Leidtragenden der Industrialisierung gibt es damit keinen Rahmen mehr, mit allen Folgen für die Industrieländer: Klimawandel und Ressourcenmangel werden zum Fluchtmotiv für Millionen Menschen. Auf Dauer bleibt keiner verschont, nicht einmal die reichen Volkswirtschaften.

All das steht in diesem Jahr auf dem Spiel, doch die Staatengemeinschaft wirkt wie paralysiert vom Ausgang der Kopenhagener Konferenz. Dabei ist es höchste Zeit, nun auch über einen Plan B nachzudenken, etwa eine zweijährige Verlängerung des Kyoto-Protokolls, sollte Obama noch mehr Zeit für sein Klimagesetz brauchen. Oder aber eine auf Zuwachs angelegte Koalition der Willigen, in der wichtige Industriestaaten untereinander Klimaschutz organisieren, zum Beispiel durch den kontrollierten Handel mit Kohlendioxid-Emissionsrechten.

Ein Abkommen, das so schwach ist wie die jüngsten Vorschläge der Staaten, kann sich die Weltgemeinschaft schenken. Es würde keinem helfen.

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