Spätfolgen eines perfiden Versuchs:Das Misstrauen der Schwarzen

Wenn in den USA Freiwillige für medizinische Versuche gesucht werden, melden sich dazu regelmäßig nur wenige Schwarze. Das hat historische Gründe.

Werner Bartens

Das Misstrauen sitzt tief. Werden Freiwillige für Medikamentenstudien oder andere medizinische Versuche benötigt, finden sich in den USA regelmäßig deutlich weniger Schwarze als Weiße dazu bereit.

Spätfolgen eines perfiden Versuchs: Ein Arzt nimmt während der Tuskegee-Studie eine Blutprobe.

Ein Arzt nimmt während der Tuskegee-Studie eine Blutprobe.

(Foto: Foto: Records of the Centers for Disease Control and Prevention)

So glauben 58 Prozent der Farbigen aber nur 25 Prozent der Weißen, dass Ärzte Medikamente an Patienten ausprobieren, ohne dass die Kranken etwas davon wissen.

25 Prozent der Schwarzen trauen ihrem Arzt sogar zu, dass er sie zu einer Studie überreden könnte, auch wenn diese ihrer Gesundheit schaden würde. Ein solch hinterlistiges Verhalten vermuten nur 15 Prozent der Weißen bei Medizinern (Medicine, Bd.87, S.1, 2008).

Die Zurückhaltung und das fehlende Vertrauen haben historische Gründe. Von 1932 bis 1972 fand in Tuskegee - ein Ort in Alabama - einer der grausamsten Versuche der Medizingeschichte statt, für einen demokratischen Staat wie die USA ist er beispiellos. In den 30er-Jahren wurden dort hunderte schwarze Farmarbeiter für eine Studie rekrutiert.

Den zumeist armen Analphabeten wurde gesagt, dass sie "schlechtes Blut" hätten, obwohl sie an Syphilis erkrankt waren. Neben der Diagnose wurde den Kranken auch jede Therapie vorenthalten - sogar dann noch, als 1947 Penicillin zur nebenwirkungsarmen Standardbehandlung wurde.

Beteiligung an den Beerdigungskosten

Die meist weißen Wissenschaftler wollten den "natürlichen Verlauf" des Leidens untersuchen. Das perfide Experiment wurde Jahrzehnte lang mit Bundesmitteln gefördert und staatlich gedeckt; den ahnungslosen Teilnehmern wurde in Aussicht gestellt, dass man sich an ihren Beerdigungskosten beteiligen werde.

"So lange sich Menschen an Tuskegee erinnern, werden Schwarze nicht die modernsten Behandlungsmöglichkeiten bekommen - nicht mal für Erkrankungen, die unter Farbigen häufiger sind", sagt Neil Powe von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. "Das ist eine bittere Ironie der Geschichte, denn ohne die Beteiligung Schwarzer in klinischen Studien können wir keine Therapien testen, um Schwarze besser behandeln zu können."

Unter Farbigen sind einige Erkrankungen häufiger oder schwerwiegender als in anderen Volksgruppen. Dies trifft für Diabetes, Schlaganfall, manche Nieren- und Lungenleiden zu. Ein weiterer Grund für das Misstrauen könnte der geringe Anteil schwarzer Ärzte in den USA sein. Während zwölf Prozent der Bevölkerung farbig sind, sind es nur vier Prozent der Ärzte.

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