Soziale Netze:Gute Freunde halten gesund

Menschen mit intakter Familie, netten Kollegen und großem Freundeskreis leben länger und gesünder als jene, die nur wenig sozialen Rückhalt haben.

Werner Bartens

Der Rechtsstreit mit den Nachbarn um die Höhe der Hecke im Garten zieht sich hin. Die Kollegen im Büro boykottieren die Zusammenarbeit. Frau und Kinder sind sauer. Verwandte waren schon lange nicht mehr zu Besuch und für Freundschaften bleibt sowieso keine Zeit mehr.

Freundschaft

Mit guten Freunden lebt es sich in der Regel gesünder.

(Foto: i.Stock)

So könnte man sich den Alltag eines missmutigen Zeitgenossen vorstellen, der seine Lebenszeit wahrscheinlich drastisch verkürzt. Nicht etwa weil er raucht, trinkt, übermäßig isst und sich nicht bewegt, sondern weil ihm der soziale und psychische Rückhalt von Freunden und Verwandten fehlt.

Im Fachblatt PloS Medicine vom heutigen Mittwoch zeigen Psychologen, dass Menschen mit intakter Familie, netten Kollegen und großem Freundeskreis länger und gesünder leben (Bd.7, S.e1000316, 2010).

"Dass karge soziale Beziehungen zum frühen Tod führen können, ist weder bei Gesundheitsbehörden noch in der Öffentlichkeit ausreichend bekannt", sagt Julianne Holt-Lunstad von der Brigham Young Universität in Utah.

Die Wissenschaftlerin und ihr Team haben Daten aus 148 Studien mit insgesamt mehr als 308.000 Menschen in einer Metaanalyse ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit alt zu werden, um etwa 50 Prozent erhöht ist, wenn man in Beruf, Familie und Freizeit von freundlichen Menschen umgeben ist.

Fehlt die soziale Interaktion oder ist sie sehr gering ausgeprägt, hat das hingegen negative Auswirkungen, die sich durchaus mit den bekannten körperlichen Risikofaktoren vergleichen lassen. Die Gesundheitsgefahren durch mangelnden psychosozialen Austausch sind ähnlich groß wie beim chronischen Konsum von 15 Zigaretten täglich oder wie bei einem Alkoholiker.

Harmonie muss überwiegen

Wer keine Freunde und keine wohlwollenden Verwandten hat, ist stärker von Infarkt, Schlaganfall und anderen Leiden bedroht als Menschen, die keinerlei Sport treiben. Gegenüber den Risiken durch Übergewicht ist die Bedrohung, die ein fehlendes soziales Netzwerk mit sich bringt, sogar um das Doppelte erhöht.

"Diese Befunde beziehen sich nicht nur auf ältere Leute", sagt der Psychologe Timothy Smith, der an der Studie beteiligt war. "Gute Beziehungen und Freundschaften schützen in allen Altersgruppen."

Wissenschaftler haben schon häufiger beobachtet, dass Freunde und Familie sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Für Familien und besonders Ehepartner gilt dies aber nur, wenn die Harmonie überwiegt und sich die Beteiligten nicht gegenseitig zerfleischen.

Wie genau sozialer Rückhalt gesund macht, ist unklar. "Wenn jemand mit einer Gruppe verbunden ist und sich für andere verantwortlich fühlt, überträgt sich das wohl auf den Umgang mit sich selbst", sagt Holt-Lunstad. "Man passt dann besser auf sich auf, lebt gesundheitsbewusster und geht weniger Risiken ein."

Im Jahr 2008 haben Forscher aus Harvard und San Diego gezeigt, wie "ansteckend" die aus sozialen Bindungen resultierenden positiven Folgen wie Zufriedenheit und Gesundheit sind. In einer Kleinstadt zeichneten sie nach, dass sich Freundschaften quer durch den Ort ausbreiteten und das Befinden der Beteiligten sich verbesserte.

"Wer von zufriedenen Menschen umgeben ist, dem wird es in Zukunft wahrscheinlich noch besser gehen", sagt Gesundheitswissenschaftler Nicolas Christakis, der die Studie geleitet hat. Die umgekehrte Schlussfolgerung gilt auch: Eine große Studie an britischen Beamten hat gezeigt, dass isolierte, unzufriedene Menschen eher krank werden und früher sterben.

Die Autoren um Holt-Lunstad plädieren dafür, den Mangel an erfreulichen Beziehungen endlich ernster zu nehmen und in die Liste der großen Gesundheitsgefahren aufzunehmen. Es gehe nicht nur um Ernährung, Bewegung und Gewichtskontrolle.

"Wir Menschen halten Beziehungen untereinander für selbstverständlich und gleichen damit dem Fisch, der das Wasser nicht bemerkt", sagt Timothy Smith. "Dabei tut uns regelmäßige Interaktion nicht nur psychologisch gut, sie fördert auch unser physisches Wohlbefinden."

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