Soziale Netze:Das Sportvirus

Wenn Sportler heute ihre Laufschuhe schnüren und eine Runde joggen, dann zeichnen sie ihre Aktivität meist mit Hilfe einer App auf. So lassen sich die Daten gleich auswerten und die virtuellen Freunde können einen bewundern. Das Publikum lässt sich davon sogar manipulieren.

Von Sebastian Herrmann

Gelegentlich drängt sich ja der Eindruck auf, dass nur mehr das als real gilt, was in den sozialen Netzen geteilt und beklatscht wird. Das gilt auch für Hobbysportler, die ihre Läufe, Radtouren, Schwimmeinheiten und andere Ertüchtigungen mit Apps wie Runtastic oder Strava aufzeichnen und präsentieren. Der Reiz besteht darin, erstens Daten über eigene Leistungen zu sammlen, und zweitens von seinen Kontakten virtuell auf die Schulter geklopft zu werden: Gut gemacht! Die beiden MIT-Forscher Sinan Aral und Christos Nicolaides berichten nun in Nature Communications, dass sich Läufer auf diese Weise quasi mit Motivation infizieren: Wenn einer joggt, bringt das die anderen in seinem Netzwerk dazu, ebenfalls die Laufschuhe anzuziehen.

Die Wissenschaftler werteten Daten von mehr als 1,1 Millionen Hobbysportlern aus, die ihre Läufe mit einer App aufzeichneten und teilten. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich über fünf Jahre. Es zeigte sich, dass besonders die weniger aktiven Läufer als Motivationsquelle wirkten. Sobald sich diese überwanden, eine Runde zu schwitzen, zogen die sehr aktiveren Läufer bald nach. Umgekehrt wirkte eine Sporteinheit eines ohnehin sehr aktiven Mitglieds des Netzwerks nicht motivierend auf die etwas fauleren Sportler.

Das Denkmuster dahinter mag sein, dass die Superfitten sich sowieso immer weiter trimmen und man sich mit diesen erst gar nicht vergleichen müsse. Umgekehrt setzt es die Dauersportler eher unter Druck, wenn die Couch-Potatos aus der Freundesliste aktiv werden. Wahrscheinlich handelt sich hier auch weniger um Ansteckung, als um Wettbewerb, schließlich bieten die Sportler-Apps viele Möglichkeiten, sich zu vergleichen und einander zu übertrumpfen. Auch das Geschlecht der Läufer beeinflusste, ob sich andere von der Aktivität inspirieren ließen: Männer und Frauen motivierten Männer; Frauen ließen sich hingegen nur von anderen Frauen zu einem eigenen Lauf hinreißen.

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