Sonnenfinsternis:Härtetest für die Stromversorgung

Sonnenfinsternis: Schon 2011 war in Deutschland eine partielle Sonnenfinsternis zu beobachten

Schon 2011 war in Deutschland eine partielle Sonnenfinsternis zu beobachten

(Foto: Sta)

Am 20. März könnte eine partielle Sonnenfinsternis den Solaranlagen in Deutschland für kurze Zeit die Energiequelle entziehen. Droht damit ein echter Härtetest für die Leistungskraft der heimischen Stromversorgung?

Von Ralph Diermann

Den 20. März dieses Jahres haben sich die Freunde der Astronomie schon lange dick im Kalender markiert. An diesem Tag schiebt sich der Mond wieder einmal zwischen Sonne und Erde, sodass sich der Himmel über dem Nordatlantik vormittags für mehrere Minuten vollständig verdunkelt. In Deutschland verdeckt der Mond nur etwa sechzig bis achtzig Prozent der Sonne. Das reicht aber, um einige Stunden lang einen mächtigen Schatten über das Land zu legen. Deshalb erwarten auch die Betreiber der Stromnetze den 20. März mit großer Spannung. Sollte nämlich der Himmel von Flensburg bis Berchtesgaden wolkenlos sein, bedeutet die partielle Sonnenfinsternis einen echten Härtetest für die heimische Energieversorgung.

Sobald es dunkler wird, werden die rund 1,5 Millionen Solaranlagen Deutschlands ihre Stromerzeugung reduzieren. Und wenn der Mond die Achse zwischen Erde und Sonne wieder verlässt, fluten binnen kurzer Zeit wieder große Mengen Solarstrom ins Netz. Forscher der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin haben berechnet, dass bei Sonnenschein die Leistung der Photovoltaikanlagen im ganzen Land insgesamt 17,5 Gigawatt beträgt, wenn die Erde um 9.37 Uhr in den Schatten des Mondes tritt. Mit zunehmender Verdunkelung sinkt die Leistung dann stetig, bis es am Höhepunkt der Sonnenfinsternis um 10.42 Uhr nur noch 6,2 Gigawatt sind - so, als würde in diesem Zeitraum alle acht Minuten ein Atomkraftwerk vom Netz gehen. Anschließend steigt die Solarleistung bis zum Ende der Sonnenfinsternis um 11.57 Uhr auf 24,6 Gigawatt.

Kann das Stromnetz diese Dynamik verkraften? Immerhin müssen bei der Elektrizität Angebot und Nachfrage stets im Gleichgewicht sein. Geraten Erzeugung und Verbrauch aus der Balance, kommt es zu Frequenzschwankungen, die einen Blackout auslösen können. Thomas Gobmaier von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) in München gibt jedoch Entwarnung. "Ich sehe die Situation recht entspannt", sagt der Experte. "Wir wissen ja genau, was am 20. März auf uns zukommen wird, und können uns darauf einstellen." Es gebe ausreichend konventionelle Kraftwerke, die für die Solaranlagen in die Bresche springen können. "Sie sind in der Lage, die starke Ab- und Zunahme der Solarleistung auszugleichen", erklärt Gobmaier.

Auch die Studie der HTW kommt zu dem Schluss, dass die Sonnenfinsternis keine Probleme bereiten wird - vorausgesetzt, ihre Auswirkungen werden im Vorfeld bei der Planung des Einsatzes der Kraftwerke genau berücksichtigt. Nach Einschätzung der Berliner Wissenschaftler können alleine die heimischen Pumpspeicherkraftwerke einen großen Teil der wegbrechenden Solarstrom-Kapazitäten abfedern. Dazu kommen die Gaskraftwerke, deren Leistung sich schnell und flexibel an den jeweiligen Bedarf anpassen lässt.

Falls es am 20. März bewölkt ist, sind die Schwankungen des Solarstroms überschaubar

Und auch das sogenannte Lastmanagement kann zur Stabilisierung der Energieversorgung beitragen. Dabei schalten Industriebetriebe auf Anforderung der Netzbetreiber kurzzeitig Anlagen und Maschinen mit hohem Stromverbrauch an oder ab. Für diese Kooperation erhalten sie eine Vergütung. Nicht zuletzt hilft nach Ansicht der Studienautoren auch der grenzüberschreitende Stromhandel dabei, die Situation unter Kontrolle zu halten. Da in den Nachbarländern deutlich weniger Solaranlagen installiert sind, hat die Verschattung durch den Mond nur geringe Bedeutung für deren Energiesysteme.

Die europäischen Netzbetreiber stimmen sich derzeit eng miteinander ab, um sich für die Sonnenfinsternis zu wappnen. "Hierzulande sind wir dazu auch im Gespräch mit der Bundesnetzagentur", erklärt Ulrike Hörchens vom deutschen Netzbetreiber Tennet. Das Unternehmen werde unter anderem das Personal in seinen Leitstellen im kritischen Zeitraum aufstocken und die Mitarbeiter gezielt für die Situation schulen. Nicht zuletzt will Tennet mehr Regelleistung als üblich vorhalten, um die Schwankungen bei der Solarstromerzeugung kurzfristig auszugleichen. Solche Regelenergie können zum Beispiel Gas- oder Pumpspeicherkraftwerke liefern.

Sollte der Himmel über Deutschland am 20. März bewölkt sein, wirkt sich die Sonnenfinsternis indes kaum auf die Stromversorgung aus. In diesem Fall erzeugen die Solaranlagen nicht viel Strom. Ihr Ertrag sinkt während der Finsternis nur um 1,7 Gigawatt, um dann bis zum Ende der Verschattung um 2,9 Gigawatt zu steigen. Eine solche Schwankung zu kompensieren ist Alltagsgeschäft für die Netzbetreiber.

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