Simulierte Mars-Mission:Mars macht schlank

Mehrere Kilogramm hat der deutsche Teilnehmer auf dem simulierten Mars-Flug verloren. Doch dies ist nur die offensichtliche Folge der monatelangen Isolation.

Frank Nienhuysen, Moskau

Es ist Punkt 14 Uhr in Moskau, als sich die schwere Eisentür öffnet und dadurch die orangefarbene Plombe zerbricht. Und die erste Herausforderung von Oliver Knickel besteht darin, vom Mars nicht gleich auf die Erde zu fallen. Von der Luke aus muss der Deutsche lächelnd zwei dünne Metallstufen hinabsteigen, dann erst hat er wieder festen Boden unter den Füßen.

Simulierte Mars-Mission: Wie übersteht man die Isolation langer Raumflüge? Die Antwort sollen sechs Astronauten geben, die von einer simulierten Mars-Mission zurückkehrten.

Wie übersteht man die Isolation langer Raumflüge? Die Antwort sollen sechs Astronauten geben, die von einer simulierten Mars-Mission zurückkehrten.

(Foto: Foto: Reuters)

Er wird von zwei Männern in weißen Kitteln begrüßt, doch warum sie einen Mundschutz tragen, wo gleich dahinter eine Traube schwitzender Journalisten steht, wird nicht klar. "Reine Show", sagt ein deutscher Wissenschaftler, der an dem Marsprojekt beteiligt ist. Auf die ersten Sonnenstrahlen muss Knickel noch warten. Er sieht nur ein Gemisch aus Neon- und etwas Tageslicht, das durch die trüben Seitenfenster in die Halle fließt. Immerhin, beim Defilée drücken ein paar junge Frauen den Probanden einen Strauß weißer Margeriten in den Arm.

105 Tage hat Knickel mit seinen vier russischen Kollegen und dem Franzosen Cyrille Fournier in einem zweistöckigen Kapselsystem gewohnt und gearbeitet. In einer dunkelbraunen Wellblechröhre - innen mit Holz vertäfelt wie Jugendzimmer in den achtziger Jahren - simulierten sie einen Flug zum Mars und wieder zurück, der tatsächlich erst in einigen Jahrzehnten möglich sein dürfte.

"Und nun bin ich froh, wieder draußen zu sein", sagt Knickel. "Als wir hineingingen Ende März, hatten wir ja schließlich noch Winter." Es war nicht das üppige Leben in der Isolation. Sehr schlank sind die Mitglieder des Projekts aus einer anderen Welt zurückgekehrt, auch wenn die Moskauer Metro nur etwa hundert Meter entfernt durch den Untergrund rauscht.

Knickel sagt, er habe drei bis vier Kilogramm abgenommen. Frisches Gemüse mussten sie in den wenigen Kammern selber anpflanzen und ernten, sonst gab es vor allem Essen aus der Konserve. Als Knickel seinen 29.Geburtstag feierte im Institut für biomedizinische Probleme, respektive auf dem Weg zum Mars, machte ihm der russische Kommandant Sergej Rjasanskij einen Salat aus dem bordeigenen Gewächshaus und spielte auf der Gitarre.

Vom roten Planeten zum Roten Platz

Natürlich spricht der deutsche Bundeswehrhauptmann zackig auch von "einer gewaltigen Herausforderung", die das ganze russisch-europäische Projekt sein sollte. Eine erbarmungslose Abfolge von Experimenten in einem 180 Quadratmeter kleinen Mikrokosmos. Blut- und Urinuntersuchungen jeden Tag, vor allem aber der Druck auf die Psyche, monatelang ohne Fenster forschen zu müssen, ohne Blick ins Weltall. Essen, wenn der Plan es vorschreibt und nicht der Magen es einfordert.

Die Kernfrage war, wie der Mensch auf die Dauerisolation reagiert, auf die Abgeschiedenheit von der Erde, und man konnte den Eindruck gewinnen, dass die wissenschaftliche Auswertung wundersam schnell abgeschlossen sein dürfte. Sehr höflich und respektvoll sei der Umgang miteinander gewesen, sagt Kommandeur Rjasanskij. Und Oliver Knickel spricht immer wieder von "Teamgeist, ja Freundschaft" an Bord des Simulators. Er sagt es in fließendem Russisch.

So muss es wohl sein, wenn die Europäische Raumfahrtagentur und Russland eines Tages den Mars erreichen wollen. Ein Plan, so ehrgeizig und anmaßend wie der bemannte Mondflug von einst. 40 Jahre ist es nun her, dass der Mond in einem ideologischen Wettstreit zwischen Ost und West erstmals Besuch von Menschen erhielt. Aber man vergisst ja leicht, dass der Weltraum auch immer Symbol für eine friedliche Koexistenz der Systeme war.

Noch als Richard Nixon US-Präsident war und Leonid Breschnjew sowjetischer Staats- und Parteichef, vereinbarten sie, dass eine Sojus-Kapsel und die Apollo-Fähre aneinander koppeln, später dockte ein Space Shuttle an die Mir an, und die Internationale Raumstation ISS ist ohnehin ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Russen, Europäern, Amerikanern und Japanern. "Die Raumfahrt war immer ein Stückchen weiter als die Politik", sagt Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

Ob Oliver Knickel nun weitermacht, den nächsten Langzeittest wagt, 520 Tage, so lang, wie eine Mission zum Mars dauert? "Das muss ich mir schon zwei- oder dreimal überlegen, das wäre schon sehr lang und ein großer Einschnitt im Leben." Dann macht er sich auf den Weg. Es sind ein paar kleine Schritte vom roten Planeten bis zum Roten Platz.

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