Sigmund Jähn wird 70:DDR-Bürger mit All-Erfahrung

Als Sigmund Jähn 1978 als erster Deutscher zu einer Reise in den Weltraum abhob, wurde er zum "Helden wider Willen". Heute feiert er seinen siebzigsten Geburtstag.

Auf einen Schlag avancierte der bis dahin unbekannte Düsenjägerpilot Sigmund Jähn an jenem Samstag im August 1978 zum Helden wider Willen.

An Bord des Raumschiffes Sojus 31 hob er zu einem einwöchigen Weltraum-Trip ab - und war damit der erste Deutsche im All.

Die Propagandamaschine der DDR rotierte auf Hochtouren, war sie doch damit das fünfte Land überhaupt, das an der bemannten Raumfahrt beteiligt war.

Und das gut fünf Jahre bevor mit Ulf Merbold erstmals ein Westdeutscher ins All abhob.

Doch in der Rolle des Helden hat sich der Sachse Jähn nach eigenen Worten nie wohl gefühlt. Er gab sich bescheiden und zog so die Sympathien der Menschen vor allem in Ostdeutschland auf sich. An diesem Dienstag (13. Februar) wird er 70 Jahre alt.

Mit seinem Flug sei seinem Land "das Tor ins Weltall aufgestoßen" worden, sagte Jähn im September 1978. Er ist der einzige DDR-Bürger mit All-Erfahrung geblieben.

Zu seinem 65. Geburtstag würdigte ihn der damalige Bundespräsident Johannes Rau mit den Worten: "Sie haben an diesem Tag vielen Menschen das Gefühl gegeben, zum ersten Mal sei "einer von uns" hinaus ins All geflogen." Dabei sei er zum "Helden wider Willen" geworden, den sein Ruhm nicht daran gehindert habe, sich selber treu zu bleiben.

Jähns Biografie ist die eines Bilderbuch-Kommunisten. 1937 wurde er als Arbeiterkind in der heute etwa 900 Einwohner zählenden sächsischen Gemeinde Morgenröthe-Rautenkranz geboren, war aktiver Pionier, Sekretär der FDJ-Gruppe und ging in die Lehre als Buchdrucker.

1955 trat er in die SED ein und begann die Laufbahn eines Offiziers bei der Nationalen Volksarmee (NVA), wo er Pilot bei den Jagdfliegern wurde. Mit seiner Frau Erika, einer gelernten Schlosserin, bekam er zwei Töchter. 1976 begann die Ausbildung für den Flug ins All am sowjetischen Kosmonautenzentrum "Juri Gagarin".

Sein Start ins All wurde von den DDR-Medien mit Sondersendungen im Fernsehen und ausgiebigen Berichten in den Zeitungen gefeiert. Das Land gab sich dem Westen überlegen.

Und Jähn funktionierte, hielt brav Wimpel in die Kamera, dankte dem Zentralkomitee der SED, sagte Sätze wie: "Ich widme meinen Flug dem 30. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, meinem Sozialistischen Vaterland."

Nach seiner Rückkehr überhäufte ihn die Regierung mit Orden, darunter war auch der neu geschaffene Ehrentitel "Fliegerkosmonaut der DDR" - er ist der einzige geblieben. Zu seinen öffentlichen Reden bekannte Jähn später: "Da war kein einziges Wort von mir."

Im Westen auch Häme

Im Westen wurde der Rummel um den ersten Deutschen im All mit Häme bedacht. So schrieb etwa die Zeitung Die Welt am 30. August 1978: "Sigmund Jähn ... ist seit seinem Aufstieg ins Weltall zum gigantischen Homunkulus, einer kombinierten Reinkarnation von Lilienthal und Einstein, aufgeblasen worden."

Doch im Osten stieg "Siggi" zum Volkshelden auf: Einem Popstar gleich jubelten ihm zehntausende Menschen während seiner Tour durch die Republik zu, kauften T-Shirts mit Raketenaufdruck für 16,45 Ostmark und andere Weltraum-Souvenirs. Er wurde Namensgeber von Schulen und Freizeitzentren, die sich auch nach der Wende nicht umbenannten.

Anders als bei vielen aufgebauschten DDR-Helden verblasste Jähns Ruhm nach der Wiedervereinigung nicht.

Für sein Lebenswerk erhielt er 1999 den ostdeutschen Medienpreis "Goldene Henne", und der Film "Good bye, Lenin!" (2003) erscheint wie eine Hommage an den ersten Deutschen im All. Seit 2001 trägt auch ein Planetoid seinen Namen.

Dennoch blieb er vielen Westlern ein unbeschriebenes Blatt. Bei einer Umfrage im Jahr 2005 konnten nur fünf Prozent von ihnen etwas mit dem Namen Sigmund Jähn anfangen; im Osten erinnerten sich dagegen 60 Prozent auf Anhieb an den ersten Deutschen im All.

Den Fall der Berliner Mauer erlebte Jähn gemeinsam mit dem BRD- Astronauten Ulf Merbold bei einem Treffen von Weltraumforschern in Saudi-Arabien. Dort sahen sie die Fernsehbilder der ausgelassen tanzenden Deutschen gemeinsam im Hotel.

Im wiedervereinigten Deutschland arbeitete der "Held der Sowjetunion", ein Titel der auch nach dem Zusammenbruch des Ostblocks seine Gültigkeit behielt, als Mittler zwischen west- und osteuropäischer Raumfahrt, etwa als Berater der europäischen Raumfahrtorganisation ESA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

So ist Jähn, der in Strausberg bei Berlin wohnt, auch an seinem 70. Geburtstag im Dienst der Raumfahrt in Russland unterwegs, wie ein Bekannter erzählte.

"Die Raumfahrt kann die Menschen zusammenbringen", betonte Jähn nach dem Ende des Wettlaufs im All während des Kalten Krieges.

Kritisch beäugte er dagegen den beginnenden Weltraumtourismus: "Zum Schutz der Atmosphäre ist es ein Unterschied, ob man 50 oder 5000 Raketen hoch schießt", sagte er. "Spacetrips aus reinem Spaß oder bloßer Profitgier lehne ich ab."

Die dringendste Aufgabe der Menschheit - so die Erkenntnis aus seinem Flug ins All - bestehe darin, "für die Erde liebevoll zu sorgen und sie künftigen Generationen zu bewahren".

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