Serienmörder in Serie:Jagd über drei Jahrzehnte

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Dokumentationen über spektakuläre Mordfälle sind in. Besonders Serienmörder faszinieren die Zuschauer. Der Discovery Channel folgt dem Trend - und hat dabei eine interessante Wahl getroffen.

Markus C. Schulte von Drach

Serienkiller sind in, und Berichte über die Aufklärung von Morden mit Hilfe kriminaltechnischer Mittel seit CSI sowieso. Dokumentationen über die bekanntesten Verbrechen und Verbrecher gibt es inzwischen unzählige.

Dennis Rader (2005): Die Arroganz des Mörders (Foto: Foto: dpa)

Nun versucht auch der Discovery Channel mit einer sechsteiligen Serie über Serienmörder das Publikum zu unterhalten. Und es müssen, um aus der Flut der Kriminalfall-Enter- und Infotainment-Sendungen herauszustechen, nun gleich "Verbrechen, die die Welt schockierten" sein.

Es braucht inzwischen offenbar bereits Fälle von "unvorstellbarer Grausamkeit", um die Zuschauer anzulocken - und wir wollen es ja offenbar nicht anders. Sparen wir uns also hier Kritik. Auch weil die Sendung selbst, mit der der Kanal die Serie gestern Abend gestartet hat, so blutrünstig und sensationsheischend gar nicht war.

Man hat sich inzwischen schon daran gewöhnt, dass solche Dokumentationen den Fall vor allem durch die zusammengeschnittenen Interviews beteiligter Ermittler und nachgestellter Mord- und Verhaftungsszenen erzählen. Den Zuschauer erwartete hier nichts Neues, nur Altbewährtes.

Der Mörder suchte den Kontakt zu Polizei und Medien

Aber immerhin, bereits der erste Fall spricht für eine interessante Auswahl. Denn die Dokumentation über den sogenannten BTK-Würger, der seit den siebziger Jahren in der amerikanischen Stadt Wichita zehn Menschen getötet hatte, bietet einige eher ungewöhnliche Aspekte.

Natürlich rührte die Faszination, die dieser Serienmörder ausgelöst hatte, besonders von den Schlagworten her, die der Täter auf sich selbst anwendete: Bind, Torture, Kill (Fesseln, Foltern, Töten).

Doch der Fall des Würgers von Wichita ist aus anderen Gründen außergewöhnlich, als wegen der für Serienmörder nicht gerade untypischen Vorgehensweise des Täters.

30 Jahre lang tappte die Polizei völlig im Dunkeln, wer der BTK-Mörder war - obwohl er bei seiner ersten Tat gleich eine vierköpfige Familie ausgelöscht hatte. Obwohl er immer nur in Wichita mordete. Obwohl am ersten Tatort Samenflüssigkeit gesichert worden war. Obwohl der Täter vermutlich in der Nachbarschaft eines Tatorts gesehen worden war. Obwohl er wiederholt Kontakt mit der Polizei und den Medien aufgenommen hatte.

Fernsehzuschauer, die von den Erfolgsraten der TV-Ermittler und Serien-Kriminaltechniker verwöhnt sind, reiben sich vermutlich verwundert die Augen. Und wer einen Augenblick länger darüber nachdenkt, stellt sich vielleicht die Frage, wie viele Serienmörder denn wohl noch unerkannt unterwegs waren und sind.

Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Polizei ihn anlügen würde

Auch der BTK-Mörder hätte noch weiter morden können, wäre ihm seine eigene Eitelkeit und Selbstüberschätzung nicht zum Verhängnis geworden. Denn er lieferte den entscheidenden Hinweis auf seine Identität auf einer Diskette, die er der Polizei - statt wie bisher seine Briefe - zugespielt hatte.

Zuvor hatte er sich bei den Ermittlern versichert, dass es nicht möglich sei, solche Datenträger bis zu einem Computer zurückzuverfolgen. Er hatte sich nicht vorstellen können, dass die Polizisten ihn, den mächtigen BTK-Mörder, einfach anlügen würden. Er hatte sich getäuscht.

Glück und die Arroganz des Mörders lösten den Fall - und natürlich die Beharrlichkeit der Polizisten, die über zwei Generationen immer weiter versucht hatten, herauszufinden, wer hinter dem Kürzel BTK steckte.

Dazu kam die Weiterentwicklung auf dem Gebiet der forensischen Wissenschaft. Eine DNA-Analyse war in den siebziger Jahren noch unmöglich. Doch 2004, dem Jahr, in dem der Präsident der Christ-Lutheran-Church-Kirchengemeinde in Wichita, Dennis Rader, in den Verdacht geriet, der BTK-Würger zu sein, war das anders.

Nun konnten die Ermittler den genetischen Fingerabdruck des Killers, gewonnen aus alten Spuren, mit dem einer Tochter von Rader vergleichen. Das Ergebnis: Der Vater des Mädchens war mit fast hundertprozentiger Sicherheit der Killer. Rader gestand schließlich, nicht nur die sieben Menschen getötet zu haben, von denen die Polizei wusste, sondern noch drei weitere Frauen.

Zwischen den Morden erzog er seine Kinder

Außergewöhnlich ist am Fall des BTK-Killers auch - und das zeigt die Dokumentation unter anderem eindrucksvoll anhand seiner Auftritte vor Gericht - dass dieser Mensch nicht nur in der Lage war, 30 Jahre der Polizei zu entgehen, sondern ein völlig normales Leben zu führen.

Seine Ehefrau, seine zwei Kinder, seine Arbeitskollegen - niemand hätte sich vorstellen können, dass Dennis ein perverser Killer ist. Ein Killer, der zwischen seinen Morden auch schon einmal etliche Jahre verstreichen ließ - um sich der Erziehung seiner Kinder zu widmen.

Leider, und das ist ein typischer Mangel fast aller Dokumentationen dieser Art, fehlt jede Spur eines Versuches, zu verstehen, wie ein Mensch zu einem solchen Monster werden kann. Wieso tut einer so etwas? Auf diese Frage bekommt der Zuschauer keine Antwort.

Stattdessen kommt der obligatorische Angehörige eines Opfers zu Wort. "Kann man ihn für seine Taten ausreichend bestraften? Ihm genügend Schmerz zufügen? Nein."

Dabei gäbe es dazu schon einiges zu sagen. Aber vielleicht hat der Versuch, einen grauenhaft grausamen Mörder auch als einen zutiefst gestörten oder kranken Menschen zu begreifen, einfach zu wenig Unterhaltungswert.

Verbrechen, die die Welt schockierten Discovery Channel, auf PREMIERE Nächste Sendung: Fred und Rose West 20. Juni 2007, 21:05 Uhr

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