Erde extrem:Die explodierende Schmiede der Götter

Weltweit gibt es eine große Anzahl aktiver Vulkane. Doch der Ätna auf Sizilien spuckt seit Menschengedenken besonders häufig Feuer.

Markus C. Schulte von Drach

Immer schon haben Menschen versucht, sich die Kräfte hinter den Naturgewalten mit dem Einfluss von Göttern zu erklären.

Erde extrem: Lavafontänen am Ätna 2001. Seit Menschengedenken bricht der Vulkan immer wieder aus.

Lavafontänen am Ätna 2001. Seit Menschengedenken bricht der Vulkan immer wieder aus.

(Foto: Foto: AP)

Die Mythen, die davon berichten, gehören zu den ältesten nicht naturwissenschaftlichen Hinweisen auf Vulkanausbrüche. So hatte der altgriechische Gott Hephaistos, von den Römern Vulcanus genannt, seine Schmiede einigen Quellen zufolge unter dem Ätna auf Sizilien.

Der US-Historiker Mott T. Greene von der University of Puget Sound in Tacoma, Washington, sieht in den Beschreibungen des Kampfes zwischen Zeus und Typhon, die der Grieche Hesiod im 8. Jahrhundert vor Christus in seiner "Theogonie" festgehalten hat, Hinweise auf Vulkanausbrüche in den Jahren 1500 bis 735 vor unserer Zeitrechnung.

Und der griechisch-sizilianische Historiker Diodorus Siculus erklärte im ersten Jahrhundert vor Christus in seiner "Bibliotheka historica", die ursprünglichen Bewohner der Insel, die Sikaner, seien 1400 Jahre zuvor nach einem Ausbruch des Ätna in den Westen der Insel geflohen. Vertraut man dieser Quelle, wäre das der erste historische Bericht von einem Ausbruch des Ätna überhaupt.

Berichte des römischen Dichters Pindar und des griechischen Dramatikers Aischylos deuten auf einen Ausbruch im fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung.

Vegleichsweise harmlos

Geologische Untersuchungen datierten die ersten Ausbrüche auf mindestens 6000 Jahre vor Christus. Und vulkanische Aktivität gibt es in der Ätna-Region offenbar bereits seit 600.000 bis einer Million Jahren, dank der sich der Berg als Ostküste Siziliens überhaupt erst aus dem Meer erhoben hat.

Erde extrem: Seit Tausenden Jahren leben Menschen im Schatten des Vulkans.

Seit Tausenden Jahren leben Menschen im Schatten des Vulkans.

(Foto: Foto: dpa)

Im Unterschied zu anderen Vulkanen hat der Ätna (indogermanisch für "brennend") seit den ersten historischen Berichten nicht aufgehört, regelmäßig Feuer zu spucken und die Siedlungen der Menschen in seiner Umgebung zu zerstören.

Mehrmals im Jahr rumort es in seinem Innern, regelmäßig fließt die zähe Lava aus dem Bauch und bildet neue Schichten auf dem langsam zum Kegel wachsenden Berg, weshalb man auch von einem Schicht- oder Kegelvulkan spricht. Immer wieder kommt es zu Eruptionen.

Dabei ist der etwa 3300 Meter hohe Berg vergleichsweise harmlos.

Kaum Tote

Kaum Tote

Erde extrem: Rauch quillt 2002 aus dem Vulkan auf Sizilien.

Rauch quillt 2002 aus dem Vulkan auf Sizilien.

(Foto: Foto: Nasa)

Zum spektakulärsten Ausbruch kam es 1669. Im Februar hatte es bereits Erdbeben gegeben, im März zerstörte Lava aus dem Berg die Stadt Malpasso und Teile von Catania. Doch Todesopfer waren bislang selten zu beklagen. In den 3500 Jahren, aus denen wir Berichte über den Ätna kennen, wurden weniger als 100 Menschen direkt durch die Ausbrüche getötet.

Auch die spektakulären Berichte von mehreren zehntausend Toten im Jahre 1669 sind falsch, vermutet Boris Behncke von der Universität Catania. Opfer forderten offenbar eher die Erdbeben, die zusammen mit den Vulkanausbrüchen auftraten. Das gilt vermutlich auch für den häufig zitierten Ausbruch fünfhunderd Jahre zuvor, im Jahre 1169.

Schlimm war der Ausbruch 1669 für die Sizilianer trotzdem. Etwa 60.000 Menschen verloren damals ihr Heim. Doch weil die Lava des Ätna langsam fließt, kann man vor der Gefahr normalerweise einfach davonlaufen.

"Schlechte Vulkane" dagegen sind beziehungsweise waren explosiv ausbrechende Feuerberge wie der Vesuv am Golf von Neapel, der im Jahre 79 Pompeji zerstörte, Santorin im Mittelmeer, der im zweiten Jahrtausend vor Christus die minoische Kultur ausgelöscht haben soll, die Explosion des Krakatau 1883, die zusammen mit der folgenden Flutwelle mehr als 36.000 Menschen getötet hatte.

Zu weiteren katastrophalen Ausbrüchen kam es 1902, als der Mount Pelée auf Martinique explodierte und 28.000 Menschen tötete und 1985 in Kolumbien, wo am Nevado del Ruiz eine Schlammlawine 25.000 Opfer forderte.

Explosion des Mount St. Helens

Erde extrem: Mount St. Helens am 22. Juli 1980. Eine Explosion, so gewaltig wie die von Hunderten Atombomben.

Mount St. Helens am 22. Juli 1980. Eine Explosion, so gewaltig wie die von Hunderten Atombomben.

(Foto: Foto: AP)

Dramatisch war auch die Explosion des Mount St. Helens in den USA 1980, bei der angeblich eine Energie freigesetzt wurde, die 500-mal größer war als die der Hiroshima-Bombe.

Der Spitzenreiter unter den Vulkanausbrüchen aber ist vermutlich die Explosion des Toba auf Sumatra vor etwa 76.000 Jahren. Aufgrund der riesigen Mengen von Material, die dabei in die Luft geschleudert wurden, verdunkelte sich der Himmel, die Erdtemperatur sank um einige Grad, es kam zu einem vulkanischen Winter.

Stanley Ambrose von der University of Illinois in Urbana-Champaign vermutet, dass die Klimaveränderung fast das Ende des Homo sapiens bedeutet hatte. Nur wenige unserer Vorfahren überlebten die winterlichen Verhältnisse.

Ein ganz besonderer Vulkan ist übrigens der Erta Ale im Nordosten Äthiopiens. In seinem Krater befindet sich ein Lavasee, dessen Oberfläche ständig erstarrt und in Platten zerbricht, die auf der darunter liegenden flüssigen Lava treiben.

Doch da dieser Vulkan nicht auf die typische Weise ausbricht und seine Lava nicht über den Rand des Kraters tritt, bleibt der Ätna der feurigste Ort der Erde. Denn unter den aktiven Vulkanen ist er derjenige, der seit Menschengedenken am häufigsten ausgebrochen ist und auch in Zukunft immer wieder ausbrechen wird.

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