Erfindungen:Der Dübel ist der Anker des kleinen Mannes

Erfindungen: Der Dübel hat die Befestigungstechnik revolutioniert

Der Dübel hat die Befestigungstechnik revolutioniert

Artur Fischer besaß mehr als 1000 Patente. Seine berühmteste Erfindung hat die Innenarchitektur verändert wie kaum eine andere: der Dübel.

Von Hubert Filser

Die Patentschrift mit der Nr. 1 097 117 vom 7. November 1958 beginnt nüchtern: "Die Erfindung betrifft einen über einen Teil seiner Länge geschlitzten, zylinderförmigen, aus zähem und alterungsbeständigem Kunststoff hergestellten Spreizdübel, dessen hinteres Ende eine Bohrung zum Einführen einer Befestigungsschraube aufweist und dessen vorderes Ende am Dübelumfang mit sägezahnförmigen Einschnitten versehen ist." Das dreiseitige, mit sechs Abbildungen versehene Dokument handelt von einer der wichtigsten Neuerungen des 20. Jahrhunderts, einem kleinen Bauteil mit großen Auswirkungen, vor allem im Hinblick auf unsere Inneneinrichtung: dem Dübel.

Vor seiner Erfindung war es sehr mühsam, Dinge an Wänden oder Decken zu befestigten. Man hatte Löcher gebohrt oder mit dem Meißel geschlagen, ein Stück Holz eingemörtelt und dann Schrauben ins Holz gedreht, eine ziemlich aufwendige Prozedur. Der Spreizdübel aus Plastik revolutionierte die Befestigungstechnik, ohne ihn wären weder Einbauküchen noch Wandregale denkbar.

Die Geschichte hinter dem kleinen Bauteil begann im Nordschwarzwald im Sommer 1957. An einem Samstagmittag ging Artur Fischer von seinem Wohnhaus in Waldachtal hinüber in die 160 Quadratmeter große Werkstatt, setzte sich dort an die Werkbank und begann, einen zylinderförmigen Plastikstift zu bearbeiten. Zunächst bohrte er ihn innen aus und feilte dann Zähne und schräge Sperrzungen hinein. Schon länger hatte Fischer über Möglichkeiten nachgedacht, wie sich Schrauben besser im Mauerwerk verankern lassen. An diesem Sommertag gelang ihm der Durchbruch. Die trapezförmig gefeilten Zungen und die seitlich, über einen Teil der Länge eingefrästen Schlitze machten den Unterschied. Sobald er eine Schraube in die Öffnung drehte, spreizte sich der Plastikdübel. Der Trick dabei war, dass die Schraube, wenn sie auf das Dübelmaterial drückte, dieses gleichzeitig verformte und radial nach außen drängte. Die nach außen ragenden Zähne der Dübel fraßen sich dabei förmlich in die Wand hinein und hielten so sicher.

Unterschätzte Innovationen

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Das Prinzip hat sich bis heute bewährt. Mit Hilfe der Zähne lässt sich der Dübel sowohl in harten wie auch in bröseligeren Mauern verwenden. Bei weichen Wänden füllen sich die Zwischenräume der Zähne mit porösem Material, der Dübel krallt sich hinein. Bei harten Wänden verformen sich die trapezartigen Zähne, werden in die Zwischenräume gepresst und drücken, sobald die Schraube eingedreht wird, senkrecht auf die Wand, der Dübel klemmt dann im Loch.

Artur Fischer war nach Thomas Edison einer der erfolgreichsten Erfinder weltweit

Fischer war nicht der erste, der solche Kunststoff-Spreizdübel entwarf, auch der schwedische Erfinder Oswald Thorsman hatte schon im Jahr 1957 Kunststoff-Spreizdübel konstruiert und zum Patent angemeldet - sein Sohn bezichtigte Fischer später des Plagiats. Doch der Fischer-Dübel hatte den großen Vorteil, aufgrund seiner speziellen Form für Mauerwerk jeglicher Art geeignet zu sein, das war die eigentliche Neuerung.

Mittlerweile gibt es Dutzende Ausführungen von Dübeln aus unterschiedlichen Materialien für unterschiedliche Wände, Decken und Böden. Artur Fischer ist nach dem Amerikaner Thomas Edison, der die Glühlampe wettbewerbsfähig machte, einer der erfolgreichsten Erfinder weltweit. Als er im Januar 2016 starb, besaß er mehr als 1100 Patente und Gebrauchsmuster verschiedenster Bauteile. Der Dübel war für Fischer auch wirtschaftlich ein Erfolg. Derzeit produziert die Firma täglich 14 Millionen Dübel.

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