Serie: Bio bizarr (7):Als wär's ein Stück von ihr

Die Männchen vieler Tiefsee-Anglerfische geben ihr eigenes Leben auf und werden Teil eines Weibchens - im wahrsten Sinn des Wortes.

Markus C. Schulte von Drach

Männern wird manchmal der Vorwurf gemacht, sie seien "schwanzgesteuert". Sie würden immer nur an "das eine" denken, heißt es. Die meisten von uns werden diesen Vorwurf natürlich weit von sich weisen.

Serie: Bio bizarr (7): Tiefsee-Anglerfische sehen nicht nur bizarr aus. Viele haben auch ein erstaunliches Sexualverhalten.

Tiefsee-Anglerfische sehen nicht nur bizarr aus. Viele haben auch ein erstaunliches Sexualverhalten.

(Foto: Foto: Anatomisches Insitut der Universität Tübinen)

Andererseits gibt es Tiere, die mit solchen Anschuldigungen überhaupt kein Problem haben dürften - mal abgesehen davon, dass man bei ihnen nicht wirklich davon sprechen kann, dass sie überhaupt denken.

Die Männchen einiger Arten der Tiefsee-Anglerfische sind nämlich nicht nur "schwanzgesteuert". Sie sind sogar vollständig auf ihre Funktion als Samenspender reduziert.

Diese bizarr aussehenden Fische sind zwar vor allem dafür bekannt, dass sie in der Finsternis der Tiefsee mit ihren Leuchtorganen Beutetiere vor ihr Maul locken. Aber auch ihr Liebesleben ist außergewöhnlich.

Die Männchen werden in der Regel nur einige Zentimeter groß, die Weibchen übertreffen sie um ein Vielfaches. Und während die Anglerin als erwachsenes Tier gleich ihr normales Leben aufnimmt, stehen dem Männchen noch einige Änderungen bevor. Sie machen sich auf die schwierige Suche nach einer Partnerin.

Und wenn sie endlich ein Weibchen entdeckt haben, dann gehen sie eine Beziehung ein, die inniger kaum sein könnte: Das Männchen verbeißt sich im Weibchen und lässt dann nicht mehr locker.

Schließlich verwächst nicht nur die Haut beider Tiere, selbst die Blutgefäße verbinden sich. Beim Männchen, das dann nicht mehr auf einen eigenständigen Stoffwechsel angewiesen ist, bilden sich die inneren Organe und die Kiefer zurück.

Am Ende bleibt das Männchen als eine Art Samenspender zurück, der lediglich über seine Kiemen einen Teil der Sauerstoffversorgung des Paares übernimmt.

Soll es zur Fortpflanzung kommen, sorgt das Weibchen mit Hilfe von körpereigenen Botenstoffen dafür, dass das männliche Anhängsel gerade dann Spermien abgibt, wenn es selbst seine Eier ins Wasser entlässt.

Nur in der Zeit, die die jungen Männchen nach einer Partnerin suchen, führen sie demnach ein eigenständiges Leben. Danach nicht mehr. Wen das jetzt an seine eigene Beziehung erinnert, der hat vielleicht etwas falsch gemacht.

Das ganze Leben des männlichen Anglerfisches dient offensichtlich einzig und allein einem Zweck: dem Weibchen Samen zu liefern. Da die Tiere bis heute existieren - und vermutlich derzeit auch nicht vom Aussterben bedroht sind -, handelt es sich bei ihrem Verhalten um eine erfolgreiche Fortpflanzungsstrategie.

Geht es um die Zeugung von möglichst erfolgreichem Nachwuchs, dann ist es für die Weibchen demnach von Vorteil, dass sie auf männliche Spermien zurückgreifen können. Gerade die Beschränkung der Männchen auf die Funktion als reine Samenspender belegt demnach, wie wichtig die Existenz zweier unterschiedlicher Geschlechter ist.

Bleibt noch zu klären, wo der Vorteil der sexuellen Fortpflanzung eigentlich liegt. Mögliche Erklärungen gibt es zwar. So scheint die Kombination des Erbgutes zweier Individuen zu einem effektiveren Immunsystem gegenüber Parasiten zu führen. Auch ist bei Nachkommen, die verschiedene Zusammenstellungen des elterlichen Erbguts tragen, die Chance größer, dass darunter solche sind, die an die herrschenden Bedingungen besser angepasst sind oder Veränderungen in der Umwelt überstehen.

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