Seltsame Strukturen im Dschungel:Winziges großes Rätsel vom Amazonas

Rätselhafte Struktur aus dem Amazonasgebiet

An die Festung "Isengard" des Zauberers Saruman aus dem Herrn der Ringe erinnern einige Betrachter die seltsamen Strukturen, die Troy Alexander in Peru entdeckt hat. Allerdings weist sie nur einen Durchmesser von etwa zwei Zentimetern auf.

(Foto: Troy Alexander)

Eigentlich wollte Troy Alexander im Amazonas-Dschungel Papageien beobachten. Dann entdeckte er ein kleines, faszinierendes Gespinst aus Fäden. Seitdem rätseln die Fachleute, wer der Urheber der seltsamen Struktur ist.

Von Markus C. Schulte von Drach

Große Überraschungen erwarten wir in der Tierwelt ja eigentlich kaum noch. Gelegentlich entdecken Wissenschaftler eine noch unbekannte Mäuse-Art, einen Kleinbären oder spüren einen Tiefsee-Tintenfisch auf. Doch das sind eigentlich meist nur noch Variationen des Bekannten, faszinierend, aber vertraut aus den Film-Dokus mit ihren Nahaufnahmen und Zeitlupen.

Aber die Natur hat natürlich noch etliche echte Rätsel auf Lager - wir müssen allerdings genau genug hinschauen. Auf so ein Rätsel ist der US-Biologe Troy Alexander vom Georgia Institute of Technology in Atlanta im Amazonasgebiet im Südosten Perus gestoßen. Alexander arbeitete dort in der Tambopata-Forschungsstation. Und eigentlich werden dort Papageien beobachtet.

Anfang Juni entdeckte Alexander auf einer kleinen Insel im Fluss Tambopata eine ungewöhnliche Struktur an der Unterseite einer Zeltplane, die die Forscher als Schattenspender aufgehängt hatten. Ein Gespinst, wie es manche Krabbeltiere als Larven oder für ihre Eier anlegen, allerdings kreisförmig umgeben von einer Art Zaun. Etwa zwei Zentimeter im Durchmesser weist das Gebilde insgesamt auf. Neugierig geworden suchte Troy nach weiteren Exemplaren auf der Insel und wurde im Juni und Juli tatsächlich fündig. Drei weitere entsprechende Strukturen fand er an Baumstümpfen in der Umgebung.

Seltsame Strukturen im Dschungel: "Sie bekommen ein eigenes Heim und einen weißen Lattenzaun, noch bevor sie überhaupt geboren sind!", freute sich ein Besucher von "what's this bug"

"Sie bekommen ein eigenes Heim und einen weißen Lattenzaun, noch bevor sie überhaupt geboren sind!", freute sich ein Besucher von "what's this bug"

(Foto: Troy Alexander)

Nachdem ihm niemand in Peru sagen konnte, worum es sich handelt und welches Tier der Baumeister war, veröffentlichte Alexander Fotos auf der Reddit-Kategorie "what's this bug?", wo Experten und Laien diskutieren, auf was sie in der Welt der Krabbeltiere gestoßen sind. Doch auch dort gab und gibt es zwar einige Hinweise und Vorschläge - aber keine endgültige Aufklärung.

Und selbst die Experten, bei denen inzwischen etwa das Magazin Wired nachgefragt hat, konnten bislang nicht helfen: Sie hätten keine Ahnung, wer es gemacht habe und was es sei, gestanden bislang etwa William Eberhard vom Smithsonian Tropical Research Institute, Norm Platnick vom American Museum of Natural History, Linda Rayor von der Cornell University, Jonathan Coddington vom National Museum of Natural History und Todd Gilligan von der Colorado State University, zugleich Präsident der Lepidopterists' Society. Immerhin wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass der Baumeister aus der Insekten-Ordnung der Schmetterlinge (Lepidoptera, auch Motten gehören dazu) stammen könnte.

Seltsame Strukturen im Dschungel: Insgesamt vier solche Kokons hat Troy Alexander in Peru entdeckt

Insgesamt vier solche Kokons hat Troy Alexander in Peru entdeckt

(Foto: Troy Alexander)

Dafür spricht vor allem die gewisse Ähnlichkeit, die das Gebilde mit den Kokons aufweist, die von Zwergwicklern (Bucculatricidae, Ribbed Cocoon-maker Moth) stammen. Eines veröffentlichte MJ Hatfield 2010 auf der Seite BugGuide. Es zeigt einen Kokon auf dem Blatt einer Esche, den er in Iowa fotografiert hatte, auf der Seite BugGuide. (Die Larve war von einer parasitischen Wespe befallen worden und enthielt zwei ihrer Larven.) Ebenfalls dort findet man das Bild eines mutmaßlichen Zwergwickler-Kokons mit einer Art Zaun von William Fisher, den dieser in North Carolina auf einer Colocasia-Pflanze entdeckt hatte.

Eher Spinne als Motte

Doch der Idee, es könnte sich um einen Motten-Kokon handeln, widerspricht Charley Eiseman. Der Autor des Blogs BugTracks weist auf die Fäden hin, die die "Zaunpfähle" verbinden. Solche Fäden weisen die Zwergwickler-Kokons niemals auf, schreibt er auf seiner Homepage.

Noch wichtiger sei, dass der Kokon, den sie in der Mitte spinnen, länglich ist und eine Riffelung zeigt. Die neu entdeckte Struktur dagegen ist eher rund, mit einer Art senkrechtem Stiel.

"Unter allen Insektenkokons erinnert es mich am meisten an die einiger Netzflügler (etwa die Schwammhaften)." Die Ähnlichkeit ist ihm aber bei weitem nicht groß genug. Er vermutet vielmehr, dass es sich um das Werk einer Spinne handelt, die hier ihren Eierkokon mit dem filigranen Zaun umgeben hat.

Rätselhafte Struktur vom Amazonas

Zwischen den "Zaunpfählen" befinden sich Fäden - was offenbar gegen einen Zwergwickler und eher für eine Spinne als Baumeister spricht

(Foto: Troy Alexander)

Troy Alexander hat sich seiner Meinung angeschlossen. "Ich stimme zu, dass das vermutlich KEIN Motten-Kokon ist", antwortete er Eiseman auf dessen Website.

Seine Lieblingstheorie beschreibt er auf der Facebook-Seite der Rainforest Expeditions Lodges: "Da sind Spinneneier im Sockel der Säule und die Jungspinnen klettern die Säule hoch und segeln mit seidenen Fallschirmen davon - die ganze Zeit geschützt von dem Zaun." Tatsächlich nutzen junge Baldachinspinnen "Flugfäden", mit denen sie sich vom Wind forttragen lassen. Es sind die feinen Fäden, die uns im "Altweibersommer" in der Luft auffallen.)

"Leider habe ich keinen geöffnet, als ich in Peru war", bedauert Alexander. "Aber ich hoffe, jemand wird das dort nachholen und berichten, was darin steckt."

Troy Alexander in Peru

Drei Monate war Troy Alexander im peruanischen Amazonas-Dschungel, um als Freiwilliger in einer Forschungsstation Papageie zu beobachten

(Foto: Troy Alexander)

Eine Spinne ist also der heißeste Kandidat als Architekt und Baumeister. Aber das Rätsel bleibt vorerst ungelöst. Letztlich wissen die Forscher noch nicht einmal, ob das Tier in die Klasse der Insekten oder die Klasse der Spinnentiere gehört.

Es spricht also einiges dafür, dass Alexander auf eine noch gänzlich unbekannte Art gestoßen ist - der große Traum aller Biologen.

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