Schweinegrippe:Ansteckung, Angst und Absurdität

Kussverbot, Schinken-Importstopp und Zwangsisolierungen: Die Schweinegrippe hat befremdliche Nebenwirkungen. In Bildern

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Schweinegrippe

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Seit die Welt von der Schweinegrippe erfuhr, bestimmt vor allem eines den Umgang mit ihr: Panik. Mexikos Präsident Felipe Calderón beklagte die "Ignoranz und Desinformation", wenn es um das Virus geht. Acht Länder, darunter China und Russland, boykottieren Schweinefleisch aus Mexiko. Und es gibt weitere befremdliche Nebenwirkungen.

(Foto: Reuters)

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Mexiko

Die Diskriminierung betrifft nicht nur mexikanische Produkte, sondern auch Menschen, wie die Zeitung La Nación in Argentinien schreibt. "Mexikaner? Dann bitte ich Sie, das Taxi wieder zu verlassen", sagte ein Fahrer einem Mann in Buenos Aires. Die Argentinien-Korrespondentin der Agentur Notimex berichtet, dass ein Tabakhändler ihren mexikanischen Akzent erkannte und ihr vorhielt, ohne Gesichtsmaske herumzulaufen. In Bogotá, Kolumbien, wurden Shows mexikanischer Künstler bis auf Weiteres abgesagt. Derweil versucht Mexiko, Normalität einkehren zu lassen. Fast triumphal melden Zeitungen, dass schon fünf Tage seit dem letzten Todesfall vergangen sind. 77 mögliche AH1N1-Tote verfolgen die Behörden nicht weiter - angeblich liegt kein Material vor, um zweifelsfrei zu klären, ob sie Schweinegrippe hatten. Zeitungen bieten Bastelanleitungen für Gesichtsmasken an. Industriell gefertigter Atemschutz ist vergriffen.

(Foto: AFP)

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Deutschland

Die Essener Feuerwehr hat eine neunseitige Bastelanleitung für einen "Do-it-yourself Mund- und Nasenschutz" veröffentlicht. Mit einer Nähmaschine kann man aus Baumwolle und Draht ein Schutztuch basteln, von dem Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer, aber abrät: Das Basteln könnte nur dann präventiv wirken, wenn es Menschen dazu bringe, zu Hause zu bleiben. An die Verteilung von Masken wird im Saarländer Landtag noch nicht gedacht: "Wenn wir uns ohnehin nicht küssen, brauchen wir auch keinen Mundschutz", so ein Sprecher. Den 80 Verwaltungsmitarbeitern hat die Landtagsdirektion nun empfohlen, auf Begrüßungsküsse zu verzichten. "Wir sind eben ein sehr französisches Bundesland", in dem die Wangenküsschen üblich seien, erklärte der Sprecher. Den Abgeordneten kann die Direktion allerdings nichts verbieten: "Die dürfen sich weiter küssen."

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Spanien

In Spanien sind 60 Erkrankungen bestätigt, damit befindet sich das Land unter den Top 5 des internationalen Rankings. Moskau untersagte nun die Einfuhr von Schweinefleisch und Derivaten, auch Serrano-Schinken, obwohl der Verzehr von totem Schwein als ungefährlich gilt. Ein "Schweinekrieg ist ausgebrochen", titelte die Zeitung El País. Federico Steinberg, Professor und Mitarbeiter der außenpolitischen Denkfabrik Elcano, führt das auf die Weltwirtschaftskrise zurück. "In Krisenzeiten kommt es zu protektionistischem Druck, der originellste Formen annehmen kann: Importe werden aus umweltschutzpolitischen, arbeitsrechtlichen oder sanitären Gründen eingestellt." In Madrid verdankt ein Mann der Schweinegrippe womöglich sein Leben. Er war an Bord eines dänischen Charterfliegers von Málaga nach Kopenhagen und beklagte Unwohlsein. Der Pilot legte wegen eines möglichen Schweinegrippefalls eine Notlandung in Madrid ein. Wie sich herausstellte, hatte der 85-Jährige "bloß" einen Infarkt erlitten.

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USA

Die USS Dubuque sollte mit 420 Mann an Bord auf humanitäre Mission in den Südpazifik auslaufen, in vier Wochen. Nun bleibt das Amphibienschiff in San Diego, es wird desinfiziert. Ein Crewmitglied ist vom Virus befallen. "Reine Vorsichtsmaßnahme", so ein Marinesprecher. Ansonsten geben die US-Gesundheitsbehörden Entwarnung. Bisher waren 726 Schulen, aus denen Verdachtsfälle gemeldet waren, geschlossen worden. 480000 Schüler hatten Zwangsferien. Nun dürfen Schulen wieder öffnen. Nicht nur die Eltern werden aufatmen, von denen manche aus Mangel an Betreuungsmöglichkeiten Kinder in öffentliche Büchereien gebracht hatten. Amerikas Schweinezüchter haben 30 Millionen Dollar verloren, weil US-Bürger weniger Schweinefleisch kaufen - aus Angst, sich anzustecken.

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Neuseeland

Eine befremdliche Schutzmaßnahme haben sich die neuseeländischen Gesundheitsbehörden einfallen lassen. Dem New Zealand Herald zufolge raten sie allen, die befürchten, sich infiziert zu haben, mit dem Auto vor ein Krankenhaus zu fahren, dreimal zu hupen und im Wagen sitzen zu bleiben. Ärzte und Krankenpfleger hätten so Zeit, sich mit Mundschutz und Desinfektionsmittel auszurüsten, bevor sie den Patienten in Quarantäne nähmen.

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Japan

Für Japaner findet die Schweinegrippe bisher nur im Fernsehen statt. Und an den Flughäfen. Passagiere aus Mexiko, den USA und Kanada dürfen Flugzeuge erst verlassen, nachdem ein Quarantäneteam in Schutzanzügen jeden an Bord befragt und bei Verdacht untersucht hat. Mexikaner können nur noch mit Visum einreisen. Das Fernsehen zeigt oft Reisende, die sich beschweren. Mit den Flughafenkontrollen will die Regierung die Bevölkerung beruhigen. Ein erster Fall erwies sich als Fehlalarm. Nur die in Japan ohnehin beliebten Gesichtsmasken sind ausverkauft.

(Foto: Reuters)

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China

Nachts um vier Uhr klopfte es an der Hoteltür. Der Mexikaner Carlos Doormann, Finanzdirektor der Firma AeroMéxico, schlief in einem Fünf-Sterne-Hotel in Peking. Chinesische Beamte mit Schutzmasken kontrollierten seinen Pass. Dann wurde Doormann mit Frau und Kindern in ein Krankenhaus gefahren, wo sie auf die Seuchenstation gesperrt wurden. Die Laken waren blutverschmiert, an den Wänden klebte Spucke, wie aus Kreisen der mexikanischen Botschaft in Peking verlautete. Dutzende Mexikaner und eine Gruppe Kanadier sind in China so behandelt worden. Sie zeigten keine Krankheitssymptome, sie wurden allein wegen ihrer Nationalität tagelang isoliert. Nach Protesten aus Mexiko hat China die Mexikaner nun mit einem Sonderflug abgeschoben. Die Kanadier sind noch in Isolationshaft. 2003 war China für seine zu langsame und unehrliche Reaktion auf die Atemwegsseuche Sars kritisiert worden. Zumindest das mit der Langsamkeit will sich Peking nun nicht nachsagen lassen.

(Foto: AP)

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Frankreich

Jeden Tag gibt Roselyne Bachelot, die Gesundheitsministerin, eine Pressekonferenz. "Auch wenn die Fälle gutartig sind, müssen wir wegen des Risikos für alles gewappnet sein", sagt sie. Jetzt ist der fünfte Fall bekanntgeworden, aber schwer erkrankt ist keiner. An Flughäfen weigerten sich Gepäckarbeiter, Flieger aus Mexiko zu entladen, nun tragen sie Mundschutz und Handschuhe. Flugzeuge aus dem Krisengebiet werden in separate Hangars dirigiert, wo Passagiere stundenlang warten müssen. Ein Reisender empörte sich: "Es handelt sich doch um eine Grippe oder haben wir die Pest?" Nun läuft in den Medien ein Werbespot, in dem die Regierung darauf hinweist, wie nützlich es ist, sich regelmäßig die Hände zu waschen, um Ansteckungen zu vermeiden.

(Foto: AFP)

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Afghanistan

Am Hindukusch ist das Schwein ein seltenes Tier, und so trifft Afghanistan besondere Vorkehrungen, das einzig bekannte Exemplar des Landes zu schützen. Das ist ein Geschenk aus China und hält sich für gewöhnlich in einem Freigehege des Zoos von Kabul auf. Nun wurde das quicklebendige Tier in Quarantäne genommen. "Wir haben das gemacht, weil die Menschen Angst haben, sich bei ihm mit Grippe anzustecken", so Zoodirektor Asis Gul Sakib. In dem streng muslimischen Land ist der Verzehr des als unrein geltenden Schweinefleischs verboten. Schweinemäster gibt es in Afghanistan nicht.

(Foto: dpa)

(SZ vom 7.5.2009/beu)

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