Satelliten-Navigationssystem:Steuerzahler sollen Galileo finanzieren

Die jahrelangen Verhandlungen über das europäische Satelliten-Navigationssystem Galileo sind endgültig gescheitert. Nun hat die EU-Kommission vorgeschlagen, das Projekt in allein staatlicher Regie aufzubauen.

Zur Rettung des europäischen Prestigeprojekts Galileo will die EU-Kommission die Aufträge für Bau und Betrieb des Satelliten-Navigationssystems komplett neu ausschreiben.

Satelliten-Navigationssystem: EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot

EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot

(Foto: Foto: AFP)

Die Finanzierung der Aufbauphase solle die öffentliche Hand übernehmen, forderte EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot am Mittwoch in Brüssel.

Damit müssten Europas Steuerzahler für die Rettung des milliardenschweren Satelliten-Projekts Galileo tief in die Tasche greifen.

Auch Bundesverkehrsminister und EU-Ratspräsident Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte bereits vorgeschlagen, das Navigationssystem in öffentlicher Regie aufzubauen.

Dies sei die am meisten vorteilhafte und realistische sowie langfristig günstigste Lösung, sagte Barrot. Bis 2013 müssten öffentliche Mittel in Höhe von 2,4 Milliarden Euro investiert werden.

Galileo soll Europa unabhängig vom amerikanischen GPS-System machen und mit rund 30 Satelliten Touristen, Spediteuren, Autofahrern oder Landwirten genauere Ortungsdaten liefern. Die Gesamtkosten sollen sich auf gut vier Milliarden Euro belaufen.

Streitigkeiten zwischen den EU-Ländern um Geld und den Sitz von Kontrollzentren haben immer wieder zu Verzögerungen geführt und Mehrkosten in Millionenhöhe verursacht.

"Wir können uns keine weiteren Verzögerungen mehr leisten, wir wollen 2012 startklar sein", sagte Barrot. Ursprünglich hätte Galileo schon 2008 in Betrieb genommen werden sollen.

Unter dem Strich hofft Barrot, dass sich die Kosten für den öffentlichen Sektor nicht erhöhen. Nach dem bisher ins Auge gefassten Modell einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) hätte die Industrie zwar die Investitionskosten getragen. Sie hätte sie aber später - zuzüglich Zinsen - zurückgefordert. Bauherr solle die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) sein. 2012 könne es dann eine neue Ausschreibung für Betrieb und Wartung geben.

Die Industrie hat positiv auf den Vorschlag der EU-Kommission reagiert. Sollte es eine entsprechende Einigung zwischen der Kommission und den Mitgliedsstaaten geben, könnte der Galileo-Aufbau voraussichtlich rasch vonstatten gehen, sagte ein Sprecher des Joint Ventures European Satellite Navigation Industries (ESN Industries).

ESN fungiert als Generalunternehmer für die Entwicklung und die Auslieferung des Systems. "Grundsätzlich begrüßen wir dass sich die EU-Kommission ausdrücklich zu Galileo bekennt", hieß es.

Für die Industrie komme es letztlich nicht so sehr darauf an, ob die Aufträge von der öffentlichen Hand oder der Privatwirtschaft kämen. Wichtig sei in erster Linie vielmehr, dass noch in diesem Jahr Folgeaufträge kämen, auch um Galileo wie geplant bis 2011 fertig stellen zu können. Unter anderem stehen noch Aufträge für 26 weitere Satelliten aus.

Ultimatum verstrichen

Vergangenen Donnerstag hatte das für Aufbau und Betrieb vorgesehene Industriekonsortium um den Luft- und Raumfahrtgiganten EADS ein Ultimatum zur Erfüllung wichtiger Auflagen verstreichen lassen.

Zur Begründung hieß es, die Industrie könne nicht alleine die Risiken für Galileo übernehmen. Die EU hatte gefordert, dass die acht Unternehmen, zu den indirekt auch die Deutsche Telekom zählt, klare Strukturen mit einem entscheidungsfähigen Geschäftsführer schaffen.

Das Vorhaben der EU-Kommission müsste beim nächsten Verkehrsministerrat im Juni grünes Licht erhalten. Ende Juni müsse dann der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden, woher die Gelder stammen sollen, sagte Barrot. Dafür gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder das Geld wird aus dem gemeinsamen EU-Haushalt genommen oder die 27 Mitgliedstaaten müssen direkt zahlen.

Mit Galileo sollen gut 150.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Barrot sagte, ein Verzicht sei "unvorstellbar" und wies Vorwürfe zurück, der Steuerzahler müsse ein unverhältnismäßig hohes Risiko übernehmen. "Galileo ist ausführlich erforscht und wissenschaftlich von hoher Qualität."

Die Anwendungen seien wichtig für Grenzkontrollen, Verkehr, die Sicherung von Finanztransaktionen, humanitäre Missionen, Fischerei oder Landwirtschaft. Barrot betonte, Galileo bleibe ein "ziviles Projekt". "Das ist aber kein Hindernis für militärische Nutzer."

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