Satelliten-Crash:Rätselhafter Zusammenstoß

Im Erdorbit kreisen die Überreste von mehr als 4800 Weltraumflügen seit dem Start von Sputnik 1957. Zusammenstöße sind gefährlich, wie die jüngste Kollision zeigt.

Patrick Illinger

Die Schuldfrage wird noch zu klären sein. Sicher ist bisher nur: Der Unfall war heftig. Zwei Satelliten, jeder so groß und schwer wie ein Auto, sind am Dienstag im Weltraum aufeinander geprallt. Die beiden Flugkörper sind vollständig zerbröselt.

Satelliten-Crash: Eine Grafik der Europäischen Weltraumagentur Esa zeigt: Es wird eng im Orbit.

Eine Grafik der Europäischen Weltraumagentur Esa zeigt: Es wird eng im Orbit.

(Foto: Grafik: Esa)

Der eine war ein Satellit des Iridium-Netzes, das weltweit Mobiltelefonie per Satellit anbietet. Der andere war ein ausgedienter russischer Nachrichtensatellit. Mit Schrecken blicken Weltraumexperten nun auf eine unüberschaubare Schrottwolke, die sich infolge der Kollision im All ausbreitet.

Intuitiv möchte man so etwas kaum für möglich halten. Es klingt wie ein statistisch nahezu unmögliches Ereignis, so wie die Kollision zweier Hundeschlitten in der Gletscherwelt Grönlands. Auch Felix Huber, der beim Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum GSOC in Oberpfaffenhofen für Satelliten verantwortlich ist, nennt die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Zusammenstoß "extrem gering".

Verwunderlich an dem Unfall ist insbesondere die Größe der beiden Objekte. Satelliten diesen Ausmaßes werden von der amerikanischen Weltraumüberwachung USSPACECOM pausenlos verfolgt. Mehr als 8000 Objekte im erdnahen Weltraum hat die Behörde mit einem weltumspannenden Netz aus Radarteleskopen im Blick.

Nur sieben Prozent davon sind funktionierende Satelliten, der Rest ist Weltraumschrott. Bruchstücke, die größer als zehn Zentimeter sind, werden nach Angaben von USSPACECOM verfolgt. Die Daten sind öffentlich verfügbar, insofern war der russische Satellit Kosmos-2251 kein Unbekannter im All. Bei dem Unfall vom Dienstag muss also geschlampt worden sein.

"Der Iridium-Satellit hätte ausweichen können", sagt Felix Huber. Warum das nicht geschehen ist, ist derzeit noch rätselhaft. Womöglich haben die Betreiber des insgesamt 66 Satelliten umspannenden Mobilfunknetzes die Daten aus den USA falsch gedeutet. Oder das steuerlos vagabundierende russische Wrack "wurde von den Iridium-Experten schlicht übersehen", mutmaßt Huber.

Mit Sorge blicken die an der Internationalen Raumstation ISS beteiligten Nationen nun auf ihre Milliarden Euro teure Container-Anlage. Der Satelliten-Zusammenstoß vom Dienstag geschah zwar knapp 800 Kilometer über der Erde, und die ISS kreist auf etwa der Hälfte dieser Höhe. Doch es ist nicht auszuschließen, dass sich die Kollisionssplitter nun auf andere Orbits ausbreiten.

Der neu hinzugekommene Schrott ist jedoch nur ein kleiner Bestandteil des bereits existierenden Abfalls im All. Nach Schätzungen der Esa trudeln 600.000 Bruchstücke um die Erde, die zwischen einem und zehn Zentimeter groß sind und nicht per Radar überwacht werden.

Es sind die Überreste der mehr als 4800 Weltraumflüge seit dem Start von Sputnik im Jahr 1957. Splitter explodierter Satelliten, Raketenteile und zum Teil auch mit Absicht produzierter Schrott, zum Beispiel die Reste eines Satelliten, den China vor zwei Jahren im Zuge einer Militärübung abgeschossen hat.

Bei den in der Erdumlaufbahn üblichen Geschwindigkeiten von mehreren zehntausend Kilometer pro Stunde entwickeln auch kleine Schrottstücke gewaltige Zerstörungskraft. So musste die Internationale Raumstation ISS seit ihrem Baubeginn vor zehn Jahren bereits mindestens achtmal Ausweichmanöver fliegen.

In dieser Woche wollte die europäische Raumfahrtbehörde Esa eigentlich den einjährigen Betrieb ihres ISS-Moduls Columbus feiern. Nun blicken die Esa-Experten gebannt auf eine Schrottwolke, die womöglich auch der Raumstation nahe kommt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: