Biotechnologie:Die gute Seite der Gentechnik

Feldarbeiten im Herbst

Die Bundesregierung will das sogennante Gene Editing erlauben. Chance - oder Gefahr?

(Foto: dpa)

Wie können mithilfe Grüner Biotechnologie gute Nutzpflanzen entstehen - und nicht nur Märkte für Konzerne? Um das zu regeln, bleibt nicht mehr viel Zeit.

Essay von Kathrin Zinkant

Stefan Jansson hat gekämpft. Er hat Hochbeete gebaut und mit Netzen bedeckt. Er hat die Raupen von den Pflänzchen gesammelt und sich mit biologischem Pflanzenschutz abgemüht. Irgendwann hat der Forscher von der schwedischen Universität Umeå dann die Ernte eingefahren und ein Essen daraus gekocht: ein Pastagericht. Dazu servierte er eine Pressemitteilung, die weltweit Aufsehen erregte.

Jansson hat als erster Europäer eine Pflanze angebaut und verzehrt, die mit einer neuen, revolutionären Methode der Gentechnik verändert worden ist: dem Gene Editing. Die Behörden hatten seinen Versuch genehmigt. Denn Schweden will den Schritt in eine neue landwirtschaftliche Ära wagen - und ist damit nicht allein.

Auch die Bundesregierung will in Deutschland neue Formen der Pflanzenzüchtung ermöglichen und dazu das Gentechnikgesetz ändern. Den Segen des Kabinetts hat der Entwurf bereits. Doch seit der ersten Lesung im Bundestag rumort es in den Fraktionen und Ausschüssen. Auf einer Expertenanhörung und im Plenum wurde klar, wie verhärtet die Fronten in der Frage der Gentechnik sind.

Vordergründig geht es in dem Gesetzentwurf darum, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen wie dem berüchtigten Genmais zu verbieten - und zwar "rechtssicher", wie Bundesagrarminister Christian Schmidt betont. In der EU ist der Anbau einzelner Gentech-Pflanzen zwar inzwischen erlaubt, doch jedes Mitgliedsland hat die Möglichkeit, sich per Gesetz aus den Erlaubnissen auszunehmen. "Opt-out" nennt sich das Verfahren.

Es gibt allerdings berechtigte Zweifel, dass das Opt-out - und damit das Anbau-Verbot - tatsächlich funktionieren wird. Denn das Verfahren dafür ist überaus bürokratisch: Sollte ein Hersteller in Deutschland eine Anbauerlaubnis beantragen, müssten sich sechs Bundesministerien auf ein Verbot einigen. So viel Einigkeit in der Regierung bei einem so heiklen Thema - das sei ein Ding der Unmöglichkeit, meinen Kenner des Berliner Politikbetriebs.

Bisher war die Methode der Herstellung entscheidend, nun ist es das Ergebnis: die Pflanze

Zudem sind auch alle 16 Bundesländer verpflichtet, jedes Verbot schlüssig zu begründen. Tut eines der Länder dies nicht, sind seine Äcker frei für den Anbau der verhandelten Gentech-Pflanze. Und nicht alle Bundesländer sind der Gentechnik gegenüber verschlossen. Am Ende könnte es also einen "Flickenteppich" geben: hier die Länder ohne Gentechnik, dort die Länder, auf deren Äckern gentechnisch-veränderte Pflanzen wachsen.

Der größte Streit aber tobt um ein zweites Detail der Novelle: um einen Absatz, der erst in letzter Sekunde in den Entwurf eingefügt wurde, den das Kabinett verabschiedet hat. Dieser Absatz dreht sich um das Gene Editing: um jene modernen Verfahren, die auf ganz neue Art Änderungen ins Erbgut von Pflanzen einfügen - und sich damit von der alten grünen Gentechnik unterscheiden. Eines dieser Verfahren sei in Deutschland erwünscht, meint die Bundesregierung. Die Technik gewährleiste "unter Zugrundelegung des Vorsorgeprinzips und des Innovationsprinzips ein hohes Maß an Sicherheit". Konkret geht es dabei um eine Methode namens Crispr-Cas - um genau jene Methode, die auch der Schwede Jansson benutzt hat.

Was aber ist vom Gene Editing zu halten? Ist es eine Gefahr? Oder eine Chance? Verfechter der Gentechnik halten das Gene Editing, also die "Redigatur des Erbguts", für die Zukunft. Kritiker des Gesetzes dagegen schimpfen, hier werde die grüne Gentechnik durch die Hintertür in Deutschland doch noch eingeführt.

Jene Pflanzen, die die neue Methode hervorbringt, sind nach geltendem EU-Recht nicht als gentechnisch veränderte Organismen zu bewerten, als sogenannte GVO. Denn GVO sind nur solche Pflanzen, die niemals durch natürliche Veränderung oder durch konventionelle Züchtung entstehen könnten. Im Gegensatz zu den Produkten der alten Gentechnik trifft diese Beschreibung für genetisch editierte Pflanzen selten zu. Wie aber lassen sich diese Pflanzen dann einordnen? Die EU-Kommission hatte mehrfach angekündigt, darüber zu entscheiden. Mehrfach wurde der Beschluss verschoben. Inzwischen gibt es ein laufendes Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Vor dem Jahr 2018 ist keine Klärung mehr zu erwarten.

Und so tobt nun eine Debatte, bei der es im Kern vor allem um eine Frage geht: Muss der Begriff der Gentechnik neu definiert werden? Unter Experten ist die Antwort klar. Anlässlich eines Treffens der Nationalen Akademie der Wissenschaften, des Deutschen Ethikrats und der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Berlin haben sich kürzlich anerkannte Fachleute aus Pflanzenbiologie, Rechtsprechung, Wirtschaft und Philosophie mit großer Mehrheit für eine Neudefinition ausgesprochen. Das Gentechnikgesetz sei dazu gedacht, Schaden von den Verbrauchern abzuwenden, meint Inge Broer, die an der Universität Rostock zur Gentechnologie begleitend forscht. Mögliche Schäden seien aber "nicht abhängig von der Herstellungsmethode, sondern von dem Produkt, das heißt von der Pflanze, die so entstanden ist." Kaum ein Fachkundiger würde dem heute widersprechen.

Chance, der Monopolisierung in der Pflanzenzucht entgegenzuwirken

Letztlich wollen die Forscher also einen Perspektivwechsel vornehmen, und der ist sinnvoll: Bisher entschied das Herstellungsverfahren dafür, ob eine Pflanze als gentechnisch verändert gilt. Künftig wollen die Forscher vor allem die Pflanze selbst betrachten. Denn die alte Gentechnik hämmert augenfällig und an willkürlicher Stelle fremde Gene aus anderen Pflanzenarten, Bakterien oder Tieren ins grüne Erbgut. Gene Editing dagegen kann subtil mit dem arbeiten, was die Pflanze und ihr Stammbaum mitbringen. In der Regel werden bekannte Eigenschaften von wilden Sorten eingefügt. Dafür reicht meist eine kleine Veränderung, wie sie auch zufällig durch Sonnenlicht oder andere akzeptierte Methoden entstehen könnte. So gesehen handelt es sich beim Gene Editing also um eine beschleunigte, im Ergebnis aber normale Züchtung. Und es geht alles sehr schnell: In der Regel entstehen neue Sorten binnen Monaten statt Jahrzehnten.

Gene Editing eröffnet zudem die Chance, der Monopolisierung in der Pflanzenzucht entgegenzuwirken. Denn die kleinen Eingriffe sind so einfach und günstig, dass nicht nur Saatgutkonzerne, sondern auch kleine Kooperativen in der Lage wären, zeitnah und ohne fremde Gene ganz neue Pflanzen zu entwickeln. Zum Beispiel Sorten, die robust gegen Hitze, Kälte, Dürre oder Feuchtigkeit sind. Man könnte die Ernte wappnen gegen Insekten, Pilzerkrankungen und andere Gefahren.

Drei Thesen

Der Plan: Die Bundesregierung will das sogenannte Gene Editing erlauben

Die Gefahr: Auch dieses Geschäft könnten am Ende die Saatgutriesen beherrschen

Die Chance: Weniger Chemie, mehr Artenvielfalt - und mehr Chancen für Kleinbetriebe

Schweizer Forscher haben das am deutschen Lieblingsobst demonstriert: Aus Wildäpfeln gewannen sie mit Crispr-Cas eine Resistenz gegen den Feuerbrand und kopierten sie in ihre Früchte. Das neue Obst unterscheidet sich nicht von einer normalen Züchtung. Vor allem benötigt es keine vorsorgliche Dusche mit Antibiotika, wie sie bei Äpfeln üblich ist. Das Mittel Streptomycin konnte deshalb schon in Honig nachgewiesen werden.

Auch Dünger, Insektenvernichter und Herbizide ließen sich durch editierte Pflanzen einsparen, und zwar im großen Maßstab. Die Produktivität auf armen Böden würde gesteigert. Und auch die ökologische Vielfalt würde wieder steigen. In den vergangenen Jahren sind drei Viertel der Kulturpflanzen von den Äckern verschwunden und mit ihnen ein großer Teil der Tiere und Kräuter. Jede zweite Insektenart in Deutschland ist bedroht, mehrere Hundert Schmetterlingsspezies sind in Gefahr. Die Bestände von 200 Wespenarten nehmen dramatisch ab. In manchen Regionen werden 80 Prozent weniger Insekten gefangen. Denn die intensive Landwirtschaft erzwingt einen massiven Einsatz von Chemikalien.

Auch in der Berliner Politik herrscht - praktisch quer durch alle Parteien - Einigkeit darüber, dass das nicht so bleiben kann. Politisch strittig bleibt allerdings, was dafür nötig wäre. Vor allem die Grünen sind davon überzeugt, dass eine Agrarwende auch ganz ohne Gentechnik möglich sein kann.

Die Industrie drängt, Monsanto hat bereits eine Lizenz erworben

Andere Politiker folgen der Sicht der Fachleute, die die Gentechnik als sicheres und notwendiges Hilfsmittel betrachten - und zwar auch die verhasste alte grüne Gentechnik, die sich stets als sicher erwiesen hat. Deren Methoden sind allerdings komplex, die Entwicklung ist teuer. Und vor allem: Sie ist in der Bevölkerung höchst umstritten. Aufgrund der kostspieligen Zulassung konnten sich nur große Konzerne die Entwicklung von Gentech-Pflanzen leisten. Und diese GVO mussten profitabel sein. In Südamerika werden deshalb Monokulturen von herbizidresistentem Soja und Mais in Glyphosat getränkt - und zwar so sehr, dass die Pflanzen es gerade aushalten, die Menschen und die Ökosysteme aber nicht mehr.

Vor einem ähnlichen Desaster ist man auch mit beim Gene Editing nicht gefeit, falls ideologische Vorbehalte und übereilte Regulierungen dafür sorgen, dass auch diese Technologie den Saatgutkonzernen überlassen bleibt. Das Interesse der Industrie an der neuen Gentechnik ist jedenfalls riesengroß. Richard Flavell, ein Berater der kalifornischen Biotechfirma Ceres Inc., hat in einem Fachblatt jüngst dargelegt, wie wichtig editierte Pflanzen sind, um künftig 9,4 Milliarden Erdenbürger satt zu bekommen. Die Firma, für die Flavell arbeitet, zaubert mithilfe des Gene Editing allerdings keinen Weizen, der in der Wüste wächst und Afrika ernährt. Ceres entwickelt Hochleistungsfutter für die amerikanische Milchindustrie.

Wie also lässt sich verhindern, dass es dem Gene Editing ergeht wie der alten grünen Gentechnik - und die Saatgutkonzerne alles beherrschen? Für die Mehrheit der Fachleute ist klar, dass nur eine produktbezogene Bewertung neuer Pflanzensorten die Chancen der Technik wahren kann. Nur so kann verhindert werden, dass anstelle von ökologisch angepassten, vielfältigen Nutzpflanzen neue Blockbuster entstehen. Um dies zu regeln, bleibt nicht mehr viel Zeit. Alle großen Saatgutkonzerne arbeiten mit den neuen Methoden. Monsanto hat bereits eine Lizenz für Crispr-Cas erworben. Ohne Gesetze, die klar die gute Seite der Gentechnik hervorheben und schützen, wird dabei ganz gewiss kein liebevolles Gartengericht herauskommen, wie das von Stefan Jansson.

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