Saigaantilopen:Auf der Spur des rätselhaften Antilopen-Sterbens

Wetterbedingungen waren schuld am Massensterben

200 000 Saigas verendeten 2015 binnen kurzer Zeit.

(Foto: obs)
  • Im Sommer 2015 verendeten in der Steppe Kasachstans binnen kurzer Zeit mehr als 200 000 Saigas.
  • Auslöser des Massensterbens waren Bakterien. Nun haben Veterinärmediziner geklärt, wie sich die Keime so schnell vermehren konnten.
  • Sie vermuten, dass das sehr heiße und feuchte Wetter die Ausbreitung der Erreger beschleunigte. Aufgrund des Klimawandels könnte diese Wetterkonstellation künftig häufiger auftreten.

Von Hanno Charisius

Das Sterben dauerte drei Wochen, dann lagen zwei Drittel der Saigaantilopen Kasachstans tot in der Steppe. 200 000 Tiere verendeten in wenigen Tagen im Spätfrühling des Jahres 2015, so die Schätzungen der Regierung. Eine internationale Forschergruppe um den Veterinärmediziner Richard Kock vom Royal Veterinary College in London liefert nun eine Erklärung für das Massensterben. Die Wissenschaftler vermuten, dass feuchtwarmes Wetter zum Tod der Saigas beigetragen hat.

Diese Erklärung passt zu früheren Vermutungen. Biopsien einiger Kadaver hatten vor drei Jahren rasch und eindeutig gezeigt, dass Bakterien der Art Pasteurella multocida schwere Infektionen hervorgerufen hatten, an denen die Tiere binnen weniger Tage verendeten. Dieser Befund machte stutzig, denn P. multocida gehört zu den natürlichen Besiedlern der Antilopen. Bakterien leben normalerweise nur in den Atemwegen der Tiere. Doch im Frühjahr 2015 gelangten die eigentlich harmlosen Mikroben ins Blut ihrer Wirte und befielen Organe. Sie produzierten dabei Giftstoffe, die zu inneren Blutungen führten, die schließlich die Todesursache der mehr als 200 000 Tiere war.

Es blieb die Frage, weshalb die Mikroben sich plötzlich gegen ihre Wirtstiere wendeten. Bereits bei den ersten Analysen war den Tierärzten klar, dass ein weiterer Faktor mitgespielt haben muss. Kock und seine Kollegen glauben, ihn nun im ungewöhnlichen Wetter gefunden zu haben. Im Fachjournal Science Advances beschreiben die Forscher, wie sie mithilfe statistischer Modellen und Analyse der Wetterdaten auf Ähnlichkeiten zwischen dem Saiga-Massensterben im Jahr 2015 und früheren Massensterben 1981 und 1988 aufgespürt haben. In allen drei Fällen war das Wetter vor dem Sterben ähnlich, nämlich ungewöhnlich heiß und feucht gewesen.

Einst lebten die Antilopen mit der seltsamen Nase auf der ganzen Nordhalbkugel

Kock und seine Leute sehen nun im fatalen Doppelschlag von Wetter und Mikroben die Ursache für das Massensterben der Saigas. Den exakten Mechanismus haben sie damit noch nicht entschlüsselt, allerdings befürchten sie, dass sich durch den Klimawandel in Zukunft die fatalen Wetterkonstellationen häufen könnten.

Dabei werden die vom Aussterben bedrohten Saigas nicht nur durch Bakterien gefährdet, sondern auch durch Viren. Im vergangenen Winter starben mehr als 2500 Tiere in der Mongolei am Erreger einer Seuche, die als Pest der kleinen Wiederkäuer bezeichnet wird. Vor allem in Afrika befällt dieses Virus Ziegen und Schafe. Wahrscheinlich sprang der Erreger von Ziegen auf Saigaantilopen, die auf derselben Steppe fraßen. Ein Viertel der mongolischen Saiga-Population ging so in wenigen Wochen zugrunde.

Noch mehr zu kämpfen haben die Saigas mit dem Menschen. Die Antilopen mit dem merkwürdigen Knubbel auf der rüsselförmigen Nase bevölkerten noch während der letzten Eiszeit die gesamte Nordhalbkugel. Auch in Deutschland stoßen Archäologen bei Ausgrabungen immer wieder auf Knochen dieser Tiere. Es gab so viele von ihnen, dass Bäume in weiten Teilen Sibiriens keine Chance hatten, hochzuwachsen, weil sie vorher von den Antilopen abgeweidet wurden. Doch bis in die 1990er-Jahre hatte der Mensch die Bestände so weit vernichtet, dass die Art bereits fast ausgerottet war.

Nur Schutzprojekten ist es zu verdanken, dass die Saigas heute noch leben. Bevor das Sterben vor drei Jahren begann, waren Artenschützer optimistisch gestimmt, weil sich die Bestände von wenigen Tieren auf mehr als 200 000 erholt hatten. Neben Bakterien und Viren bedroht der Mensch auch heute noch die Saigas: durch Wilderei und durch Zerstörung ihres Lebensraumes.

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