Roboter:Mit Laser durch die Menschenmenge

Ein Roboter erledigt Einkäufe und fragt Passanten nach dem Weg - was wir bislang nur aus Science-Fiction-Filmen kennen, wollen Ingenieure der TU München Realität werden lassen.

Cordula Sailer

"Gu - ten - Tag. Wo - geht - es - zum - Ma - rien - platz?" Wenn Sie in naher Zukunft so oder ähnlich in der Münchner Fußgängerzone angesprochen werden, dann sind Sie mitten in ein Forschungsprojekt der TU München geraten.

C3PO

Wie der IURO-Roboter aussehen wird ist noch unklar. Vielleicht wird er ja Ähnlichkeit mit Star-Wars-Roboter C3PO haben.  

(Foto: AFP)

Im Rahmen des sogenannten IURO-Projekts (Interactive Urban Robot) entwickeln Ingenieure dort einen Roboter, der sich selbstständig seinen Weg durch die Straßen der Stadt suchen soll.

Das Ziel des Teams um Dirk Wollherr und Kolja Kühnlenz ist, dass in Zukunft Automaten bestimmte Hol- oder Bringdienste erledigen können: Medikamente aus der Apotheke besorgen, Pakte zur Post bringen, Brötchen beim Bäcker kaufen und vieles mehr.

"Denkbar wäre auch, dass ein Paketdienst wie DHL sein Geschäftsmodell mit solchen Robotern ausbaut", wirft Wollherr einen Blick in die Zukunft. So könnten Roboter über ganz München verteilt auf Kunden warten, die sich für eine Pauschale von einigen Euros den Einkauf nach Hause schleppen lassen - ähnlich wie beim "car2go"-Konzept, bei dem man Autos in der Stadt nutzen und auf einem beliebigen Parkplatz abstellen kann.

Neben einem solchen "Roboter2go"-System ist das langfristige Ziel der Wissenschaftler aber, dass auch private Haushalte ihren eigenen Service-Roboter bekommen. Wie ein Butler könnte eine solche Maschine Tätigkeiten im Haushalt übernehmen und Einkäufe erledigen.

Ohne jemanden anzurempeln

Dazu muss ein Roboter allerdings lernen, sich unfallfrei zwischen Menschen zu bewegen. "Er muss auch Plätze wie den Marienplatz, wo von allen Seiten Menschen kommen, überqueren können, ohne mit jemandem zusammenzustoßen", sagt Wollherr.

Das ist die besondere Herausforderung, der sich die Forscher stellen. Denn Roboter, die - zumindest für Maschinen - höchst anspruchsvolle Aufgaben erledigen, gibt es schon eine ganze Reihe.

So hilft zum Beispiel "Robovie" vom japanischen Advanced Telecommunications Research Institute in Kyoto älteren Menschen beim Einkaufen: Per iPhone kann man dem Roboter seine Einkaufsliste zuschicken. Die Maschine mit den großen Kulleraugen wartet dann vor dem Supermarkt auf den Kunden.

Auch als Lehrer werden solche vollautomatisierten Gesellen schon eingesetzt - und machen offenbar eine gute Figur zu: So unterrichtet "Rubi" von der University of California in San Diego, USA, Vorschulkinder nicht nur in Farbenlehre und Mathematik.

Der PC-Bildschirm mit riesigen Augen und kleinen Armen, der auf einem Paar Schnürschuhen steht, lehrt die Kleinen sogar Finnisch. Und wer schließlich genug von der Paukerei hat, kann mit "Aibo" herumtollen, einem süßen Roboterhund des japanischen Elektronikriesens Sony.

Doch wo diese Roboter überfordert wären, soll das Gerät der Münchner Forscher seine große Stärke haben. Zusammen mit Kollegen von der ETH Zürich, der Universität Salzburg sowie der KTH Stockholm wollen sie innerhalb von drei Jahren einen Automaten entwickeln und erproben, der selbst im Gedränge auf öffentlichen Plätzen Kollisionen vermeidet.

Passanten als Orientierungshilfe

Dazu statten sie ihren Roboter mit einem sogenannten Laser Rangefinder aus. Dieser Sensor strahlt einen Laserstrahl aus, der von den Gegenständen in der Umgebung zurückgeworfen wird. "Diese Reflektion kann der Roboter mit seinem Sensor messen und daraus die Entfernung des Hindernisses bestimmen", erklärt Wollherr.

Der Laserstrahl tastet 500 Mal in der Sekunde einen Halbkreis um den Roboter herum ab und garantiert so eine sehr präzise Messung. Dass sich in seiner Umgebung etwas bewegt, merkt die Maschine daran, dass sich die Position eines Objekts von einer zur nächsten Messung verändert hat. "Und dann hat der Roboter erst einmal die Hypothese: Das ist ein Mensch", beschreibt Wollherr den Vorgang.

Um zu überprüfen, ob es sich bei dem sich bewegenden Objekt tatsächlich um einen solchen handelt, setzt der Roboter ein spezielles Bildverarbeitungssystem ein. So vermeidet er, Autos oder Hunde nach der richtigen Route zu fragen.

Für den Roboter ist es allerdings nicht nur wichtig, Menschen zu erkennen, um ihnen rechtzeitig ausweichen zu können. Er nutzt Passanten auch als Orientierungshilfe. Um ans Ziel zu gelangen, berechnet er seine Route nämlich nicht mit Hilfe eines GPS-Geräts. Vielmehr fragt er Personen auf der Straße einfach nach dem Weg.

Damit die Menschen tatsächlich das Gefühl haben, dass der Roboter sie anspricht, soll er über einen Kopf mit Augen verfügen und seinen Blick direkt auf die betreffende Person richten können.

Ob er dabei eher aussehen wird wie einer der beiden Star-Wars-Roboter C3PO und R2D2 oder eher wie Johnny 5 aus dem Film "Nummer 5 lebt", ist noch unklar. Bis jetzt konnten sich Ingenieure und Designer noch nicht über sein Aussehen einigen.

Hohe Anforderungen an die Spracherkennung

"Rein technisch könnten wir einfach mit einer Blechbüchse arbeiten, die Mikrophone hat und so die Sprache hört. Aber das ist dann sehr unpersönlich und es kommt kein richtiges Kommunikationsgefühl auf", sagt Wollherr.

Wie viele Worte der IURO-Robo am Ende beherrschen wird, ist noch offen. Fest steht, dass man mit ihm nicht über das Wetter oder das Bayernspiel des Vorabends plaudern können wird. Dabei liegen die Schwierigkeiten einer Konversation für den Roboter weniger beim Sprechen - das Verstehen ist das Problem.

Die Anforderungen an die Spracherkennung eines Roboters sind im Freien sehr hoch. Während im Labor nur eine einzige Person mit der Maschine spricht, ist sie draußen einer Vielzahl von Geräuschen ausgesetzt: Menschen reden durcheinander, Vögel zwitschern, Autos hupen und Kinder schreien.

"Je mehr Wörter er theoretisch verstehen kann, desto höher ist seine Fehlerrate, weil mehr ähnliche Wörter dabei sind", gibt Wollherr zu bedenken. Daher werde sein Wortschatz sich wohl auf Richtungsangaben wie links, rechts oder geradeaus beschränken. "Außerdem müssen wir ihm Landmarken beibringen, damit er auch "Theatinerkirche" problemlos verstehen kann", sagt Wollherr.

Ein großes Problem, das die Wissenschaftler in den Griff kriegen müssen, stellen die ständigen Veränderungen dar, mit denen ihre Maschine unterwegs umgehen muss. Roboter, die in der Industrie eingesetzt werden, arbeiten in geschlossenen Räumen und kennen jedes Detail in ihrer Umgebung. "Das ist bei unserem Roboter nicht der Fall: Wir können ja nicht voraussagen, wo morgen ein Fahrrad an der Hauswand abgestellt sein wird", sagt Wollherr.

Wann die erste Generation der Straßen-Roboter in der Praxis Anwendung findet, hängt von ihrem Einsatzgebiet ab. Dass ein Roboter ohne menschliche Unterstützung die Straße fegt, sei bereits in fünf bis zehn Jahren denkbar, sagen die Wissenschaftler. Ein universeller Butler-Roboter, der das Geschirr aus der Spülmaschine räumt, die Fenster putzt und zum Einkaufen geht, liege dagegen noch in ferner Zukunft.

"Da bin ich froh, wenn ich das vor meiner Pensionierung noch erlebe", scherzt Wollherr. Bis dahin dürften noch mindestens drei Jahrzehnte Forschung an humanoiden Robotern ins Land gehen.

Vom Nutzen solcher Maschinen ist er dennoch fest überzeugt: "Wenn man sich die Alterspyramide ansieht, sind irgendwann nicht mehr genügend Menschen da, die Pflegeleistungen für Ältere erbringen können."

Ersetzen sollen solche Roboter menschliche Pflegekräfte aber nicht. Im Gegenteil, so Wollherr, sollen sie den menschlichen Pflegern den Rücken frei halten, damit diese mehr Zeit für den persönlichen Umgang mit ihren Schützlingen haben. Wenn der Roboter den Müll nach draußen bringe, habe der Pfleger zum Beispiel auch Zeit, um mit Herr Maier und Frau Schuster Karten zu spielen.

"Soziale Interaktionen sind das, was ein Roboter sicher nie ersetzen können wird", ist Wollherr überzeugt.

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