Riechreize:Der Duft der Lust

Geruchsforscher entdecken immer mehr Indizien dafür, dass Menschen wie Tiere auf Sexuallockstoffe reagieren.

Susanne Schäfer

Kein Glück beim anderen Geschlecht? Einfach den richtigen Duft auftragen, empfehlen Parfüm-Hersteller, und das Problem sei gelöst. Ihre Aroma-Mischungen machen mit Hilfe der darin enthaltenen menschlichen Lockstoffe unwiderstehlich, versprechen die Firmen.

Sie bieten Produkte für jede Gelegenheit, Parfüms, Deos, Duschgels, Erfrischungstücher und Kerzen mit angeblichen menschlichen Pheromonen. "Zehnfache Pheromon-Konzentration - die geballte Ladung, der keine Frau widerstehen kann", heißt es auf einer Internetseite. Andere Anbieter werben mit einer "Geld-zurück-Garantie", falls beim Kunden der "Phero-Wahnsinn" ausbleibt.

Das sind gewagte Versprechen. Pheromone sind Botenstoffe, mit denen Tiere der gleichen Art kommunizieren. Sie markieren mit Hilfe dieser chemischen Signale ihr Revier oder warnen sich gegenseitig vor Gefahr. Tatsächlich lösen sie mit Sexual-Lockstoffen auch bei potenziellen Partnern das Verlangen aus, sich zu paaren. Doch ob auch Menschen Pheromone aussenden, ist trotz Geld-zurück-Garantie der Parfüm-Hersteller wissenschaftlich nicht erwiesen.

"Einige Untersuchungen beschreiben, wie menschliche Sekrete zu Reaktionen bei anderen Menschen führen. Damit geben sie Hinweise darauf, dass menschliche Pheromone existieren", sagt Thomas Hummel vom Forschungszentrum "Riechen und Schmecken" am Universitätsklinikum in Dresden. Aber noch nie ist es einem Forscher gelungen, ein menschliches Pheromon chemisch zu isolieren und damit eindeutig nachzuweisen. "Während der Körpergeruch jedes Menschen individuell ist, hat ein Pheromon bei allen Individuen einer Spezies dieselbe Struktur", sagt der Riechforscher Benoist Schaal vom Centre Européen des Sciences du Goût in Dijon, dem es immerhin gelungen ist, beim Kaninchen ein Pheromon zu isolieren.

Dennoch hält sich seit Jahrzehnten hartnäckig der Verdacht, wonach Menschen über Botenstoffe im Kontakt stehen. Auch Patrick Süßkind spielt mit dem Mythos der mächtigen Düfte: In seinem Roman "Das Parfum", dessen Verfilmung jetzt im Kino zu sehen ist, erzählt er von Grenouille - dem Mann, der zum Massenmörder wird, weil er von der Idee besessen ist, die Düfte junger Mädchen zu konservieren. Daraus will er den perfekten Liebesduft kreieren, der die Menschen um den Verstand bringt.

Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Menschen tatsächlich auf die unterschwelligen Düfte anderer reagieren, etwa auf Substanzen aus dem Achselschweiß oder dem Vaginalsekret.

Die amerikanische Riechforscherin Martha McClintock von der Universität Chicago hatte bereits in den siebziger Jahren herausgefunden, dass sich bei Frauen, die auf engem Raum zusammenleben, die Menstruationszyklen angleichen. Damit löste sie erstmals eine große Diskussion über menschliche Pheromone aus.

In einer neueren Studie ließ McClintock Frauen an Polstern riechen, die stillende Mütter an ihren Brüsten hatten. Die Frauen, die dem Körpergeruch ausgesetzt waren, berichteten in der Folge von einem stärkeren sexuellen Verlangen und mehr erotischen Fantasien als Frauen, die an neutralen Polstern gerochen hatten.

Dass Mädchen später in die Pubertät kommen, wenn sie mit ihrem biologischen Vater aufwachsen, beobachteten Forscher von der Universität Pennsylvania. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift American Journal of Human Biology (Bd. 18, S. 481) schreiben sie, dass vermutlich chemische Duftstoffe der Väter für die Verzögerung verantwortlich seien.

Der evolutionsbiologische Zweck dieses Mechanismus sei womöglich, Inzucht zu vermeiden. Und der französische Geruchsforscher Benoist Schaal zeigte in einer Studie, die zur Veröffentlichung eingereicht ist, dass ein Sekret aus dem Brustwarzenvorhof stillender Mütter Neugeborene dazu bringt, schneller saugen zu lernen.

Beobachtungen wie diese belegen jedoch nicht, dass menschliche Pheromone tatsächlich existieren. Schaal sagt selbst: "Wir haben damit nur gezeigt, dass das Sekret das Verhalten der Babys beeinflusst." Auch gewöhnliche Körpergerüche könnten schließlich auf andere Menschen wirken. "Wenn ich Knoblauch gegessen habe, kann ich mit meinem Geruch starke Reaktionen auslösen. Trotzdem sind dafür keine Pheromone verantwortlich." Denn ein Pheromon unterscheidet sich von anderen Riechstoffen: Es bindet an spezialisierte Rezeptoren und kann so auch in geringsten Dosen Reaktionen auslösen.

Diese Rezeptoren und die dazugehörigen, stets identischen Moleküle zu finden, ist allerdings schwierig. Normale Duftmoleküle hingegen treffen auf unspezialisierte Riechrezeptoren in den Sinneszellen. "Und ob die chemischen Signale, die die stillenden Mütter aussenden, eine wirklich einheitliche Struktur aufweisen, wissen wir nicht", sagt Schaal.

Unklar ist auch, wie bei Menschen die chemische Kommunikation funktionieren könnte. Tiere erkennen Pheromone vor allem über das Vomeronasal-Organ, ein zusätzliches Körperteil, das viele Wirbeltiere in der Nasenhöhle haben. Bei erwachsenen Menschen ist dieses aber wohl nicht funktionsfähig. Fehlen den Menschen die physischen Voraussetzungen, humane Pheromone zu erkennen?

Aktuelle Studien legen nahe, dass Homo sapiens über eigene Rezeptoren für pheromonartige Substanzen verfügt. Eine internationale Forschergruppe testete, wie Versuchspersonen auf drei verschiedene Substanzen reagieren - die Steroide Androstadienon und Androstenon und einen Kontrollduft, die alle gleich intensiv und angenehm rochen (Neuroimage, Bd. 30, S. 1340, 2006).

Rezeptoren für Pheromone

Androstenon riecht zwar ähnlich wie Androstadienon und hat eine ähnliche Struktur, aber "nur Androstadienon hat pheromonalen Charakter", sagt der Pharmakologe Thomas Hummel, der an der Studie beteiligt war. Wenn die Probanden diesem Stoff ausgesetzt waren, ließen sich bei ihnen nach einer kürzeren Reaktionszeit Hirnströme messen als bei den anderen Substanzen.

Die Forscher vermuten, dass eigene Rezeptoren existieren, mit dem Menschen die möglichen Pheromone erkennen. Hummel sagt: "Möglicherweise reagiert der Körper schneller auf den Stoff, weil dieser biologisch bedeutsamer ist." Pheromone vermittelten einfach wichtigere Botschaften als andere Riechstoffe.

Auch die amerikanische Riechforscherin Linda Buck und ihr Kollege Stephen Liberles vom Krebsforschungszentrum in Seattle fanden Anzeichen dafür, dass Menschen die subtilen Botschaften anderer entschlüsseln können, obwohl sie vermutlich kein Vomeronasal-Organ haben. In der Riechschleimhaut von Mäusen entdeckten sie TAA-Rezeptoren (TAAR), an denen Pheromone andocken. Da Menschen ähnliche TAAR-Gene haben wie Mäuse, ist es denkbar, dass auch sie Pheromone über diese Rezeptoren wahrnehmen können (Nature Online, Juli 2006).

Obwohl auch diese Entdeckung menschliche Pheromone nicht eindeutig nachweist, sind Forscher wie der Dresdner Thomas Hummel von deren Existenz überzeugt. Obwohl er an die Macht der Gerüche glaubt, sind seiner Meinung nach dennoch einige Passagen, in denen der Süßkind die Wirkung von Düften beschreibt, wissenschaftlich nicht zu bestätigen. "Was im Roman passiert, nachdem Grenouille sich mit seinem Parfüm übergossen hat, ist reine Fiktion."

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