Ressourcenknappheit:Machtfaktor Wasser

Im Nahen Osten zeigt sich die politische Spaltkraft von Wasser. Je knapper die Ressource in Israel wird, desto geringer die Chancen auf eine Einigung mit den Palästinensern.

T. Schmitz

David Löwenberg herrscht über Felder, so weit das Auge reicht. In einem Granatapfel-Hain, auf halber Strecke zwischen Tel Aviv und Jerusalem, freut er sich über die gesunden Früchte. Gegenüber wachsen Hunderte Olivenbäume, nebenan Baumwollpflanzen, am Horizont sieht man riesige Weinrebenfelder. Löwenberg leitet die Agrarwirtschaft im Kibbutz Hulda und ist somit auch der Herr über das kostbarste Gut, das Israel besitzt: Wasser.

Ressourcenknappheit: Das Land verdorrt, der Jordan brackig: Israel leidet immer stärker unter Dürren.

Das Land verdorrt, der Jordan brackig: Israel leidet immer stärker unter Dürren.

(Foto: Foto: AFP)

Löwenberg entscheidet, welcher Baum und welche Pflanze wie viele Tropfen erhalten. Weil Wasser knapp und für viele Bauern unerschwinglich geworden ist, werden die Obst- und Gemüsefelder im Lande nicht mehr flächendeckend mit Wasser besprüht, sondern nur beträufelt. In Hulda berechnet ein Computer, wann welche Pflanze wie viele Wassertropfen durch unterirdische braune Plastikschläuche bekommt. Der Vorteil der israelischen Erfindung, die in andere - trockene - Erdteile exportiert wird: Wasser landet nicht mehr auf der Erdoberfläche und verdunstet größtenteils, sondern die Wurzeln bekommen exakt die Menge, die sie brauchen.

Milch und Honig fließen in Israel zur Genüge. Aber das Wasser wird knapp. "Israel vertrocknet" plakatiert die staatliche Wassergesellschaft seit Monaten landesweit und appelliert an die Bewohner, ihre Gärten weniger zu gießen, Autos seltener zu waschen und nicht mehrmals täglich zu duschen.

Regen fällt in Israel nur zwischen Oktober und Mai. Und die Klimaerwärmung zeigt in Israel bereits Wirkung: In den vergangenen fünf Jahren hat es in den paar Wintermonaten unterdurchschnittlich wenig geregnet. Der Wasserpegel des Sees Genezareth, dem Hauptreservoir für die Küstenregion um Tel Aviv, wo zwei Millionen Haushalte mit Frischwasser versorgt werden müssen, liegt gefährlich nahe der roten Marke, die ein weiteres Abpumpen verbietet. Die staatliche Wassergesellschaft Mekorot hat die Fördermenge bereits begrenzt, um zu verhindern, dass das ökologische Gleichgewicht des Sees kippt.

Wenn man den Landwirt Löwenberg fragt, wie es sein kann, dass ausgerechnet Israel wasserverschlingende Tomaten, Orangen und Baumwolle exportiert, wird er sehr bestimmt: "Sollen wir etwa nicht mehr anbauen und uns auf die Importe anderer Länder verlassen? Wenn denen unsere Politik nicht gefällt, dann beliefern sie uns nicht, und wir müssen hungern!"

Löwenberg setzt daher auf Meerwasserentsalzung. Bis zum Jahr 2013 will Israel zwei Anlagen in Betrieb nehmen, die rund 600 Millionen Kubikmeter Wasser liefern sollen - allerdings, wie Umweltschutzgruppen anmerken, zu einem "zu hohen Preis", denn die Anlagen sollen mit Kohle befeuert werden.

Wasser als "nationales Eigentum"

Je knapper das Wasser in Israel wird, desto ferner rücken auch die Chancen auf einen Frieden mit den Palästinensern. Unterhalb des Westjordanlands, das die Palästinenser für sich beanspruchen, liegen sogenannte Berg-Aquifere, also hohle Gesteinsformationen, durch die kostbares Grundwasser fließt.

Mit der Besetzung des Westjordanlandes 1967 deklarierte Israel Grundwasser zum "nationalen Eigentum" - und drehte den Palästinensern den Hahn zu. Im Durchschnitt können die Palästinenser dort am Tag nur rund 60 Liter Frischwasser verbrauchen. Israelis und die jüdischen Siedler dagegen haben keine Quote auferlegt bekommen und verbrauchen täglich bis zu 300 Liter. Palästinenser dürfen ohne Genehmigung der Armee keine Brunnen bauen und sind oft auf Tankwagen angewiesen. Seit den Friedensverhandlungen von Oslo Mitte der neunziger Jahre haben Israel und die Palästinenser wiederholt die Wasserfrage angesprochen - ergebnislos. Israel ist nicht bereit, die Hoheit über die Grundwasserquellen abzutreten.

Im Gaza-Streifen sieht es noch trockener aus. Jedes Jahr pumpen die dort lebenden 1,5 Millionen Palästinenser 150 Millionen Kubikmeter Grundwasser aus dem Boden, dabei dürften es höchsten 60 Millionen Kubikmeter sein. Diese Überförderung hat dazu geführt, dass salziges Meerwasser in Gazas Grundwasser einsickert.

Auch das Grundwasser unter dem Westjordanland ist gefährdet. Nur 40 Prozent aller palästinensischen Haushalte und nur 20 Prozent aller jüdischen Siedlungen sind ans Kanalisationsnetz angeschlossen. Das meiste Abwasser der 2,5 Millionen Palästinenser und der 300.000 jüdischen Siedler versickert ungeklärt.

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