Rekonstruktion eines 1400 Jahre alten Schädels:Himmelfahrtsnase und schöne Zähne

1400 Jahre alter Rheinländer erhält Gesicht zurück

Nachher und vorher: Der 1400 Jahre alte Schädel des sogenannten "Herrn von Morken" wurde vor 60 Jahren in einem Fürstengrab entdeckt.

(Foto: dpa)

Ein 1400 Jahre alter Rheinländer hat sein Gesicht zurück bekommen. Wissenschaftler haben das Aussehen des "Herrn von Morken" rekonstruiert. Demnach war er ein stattlicher Mann mit hoch stehender Nase und wulstigen Augenbrauen.

Er hatte noch alle Zähne, eine leichte Himmelfahrtsnase und eine Narbe über der Stirn: Der "Herr von Morken" war zu Lebzeiten offenbar ein recht stattlicher Mann. Vor etwa 1400 Jahren ist er gestorben. Jetzt haben Wissenschaftler in aufwendiger Kleinarbeit sein Gesicht rekonstruiert. Die Nachbildung ist seit Mittwoch im LVR-Landesmuseum in Bonn zu sehen. "Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er so ausgesehen", sagt Constanze Niess vom Frankfurter Institut für Rechtsmedizin.

1955 wurde das Grab bei Erdarbeiten für den Braukohletagebau im Rhein-Erft-Kreis im Westen Nordrhein-Westfalens entdeckt. Der "Herr von Morken" war um das Jahr 600 im sogenannten Fürstengrab von Morken bestattet worden, einem fränkischen Gräberfeld oberhalb des Friedhofs der Ortsbevölkerung.

Die kostbaren Beigaben, vor allem das Material der Waffen, ließen darauf schließen, dass der Mann eine Sonderstellung in der Bevölkerung genoss, erläutert Elke Nieveler, Referentin für Frühmittelalter im Rheinischen Landesmuseum. "Möglicherweise war er der Verwalter des Königsguts von Morken."

Woran der "Herr von Morken" starb, ist unklar

In einem interdisziplinären Forschungsprojekt untersuchten Wissenschaftler anhand der Gräber die Lebensumstände, Ernährungsweisen und wirtschaftlichen Ressourcen der merowingischen Bevölkerung im Rheinland. Der "Herr von Morken" solle den Museumsbesuchern nun eine Begegnung mit einem Individuum aus dieser Zeit ermöglichen, sagt Nieveler.

Woran der "Herr von Morken" mit etwa Mitte 40 starb, ist unklar. Eine schwere Kopfverletzung - wahrscheinlich ein Schwerthieb aus einem Kampf - sei jedenfalls nicht die Todesursache gewesen, meint Christian Meyer aus Halle, der die Knochenuntersuchungen vorgenommen hat. "Die Wunde ist gut verheilt."

Aus der Verletzung und den Grabbeigaben lasse sich aber schließen, dass der Mann für den Kampf lebte. Darauf deutet nach Erkenntnissen der Experten auch seine betont eiweißreiche Ernährung hin: Er habe viel mehr Fleisch gegessen als der Großteil der damaligen Bevölkerung. Anders als die meisten Menschen seinerzeit habe "Herr von Morken" übrigens kein Karies gehabt.

1400 Jahre alter Rheinländer erhält Gesicht zurück

Die Wissenschaftler nutzten Methoden der Rechtsmedizin - und schmückten sie mit Bart und Frisur noch etwas aus.

(Foto: dpa)

Frisur und Bart sind nicht wissenschaftlich belegt

Um das Gesicht zu rekonstruieren, nutzte Gerichtsmedizinerin Niess Methoden, die normalerweise bei der Identifizierung unbekannter Toter angewandt werden. "Die Gesichtsknochen des "Herrn von Morken" sind gut erhalten, die Zähne sind vorhanden - damit ist alles wichtige da, was ich für eine Rekonstruktion brauche", erzählt Niess.

Ein 3-D-Druck aus Kunstharz bildete die Grundlage, die Knochen wurden exakt vermessen. So kristallisierte sich langsam ein schmales Gesicht heraus mit hohen Wangenknochen, kräftigen Augenbrauenwülsten und einer etwas hochstehenden Nase. Nur die Frisur, das kleine Bärtchen und die Augenfarbe sind nicht wissenschaftlich belegt, sondern basieren auf Annahmen. Deshalb wurden sie farblich bewusst zurückhaltend gestaltet - denn schließlich soll nichts vom Gesicht ablenken.

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