Regenwald-Killer Palmöl:Der Baum des Anstoßes

Palmöl gilt als klimafreundlicher Energieträger, doch dafür wird Regenwald zerstört - das Umweltministerium will das nicht mehr fördern.

Martin Kotynek

,,Es ist absurd'', sagt Achim Steiner, Generaldirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep): ,,In ihrem Wunsch, das Klima zu schützen, fördern westliche Märkte die Zerstörung von Ökosystemen und die Emissionen von großen Mengen an Kohlendioxid durch die Brandrodung von Regenwäldern.''

Brandrodung Palmöl

Für Palmöl-Plantagen wird Regenwald durch Brandrodung vernichtet.

(Foto: Foto: Reuters)

Ursache des Widerspruchs, den nun auch das Bundesumweltministerium erkannt hat, ist die Ölpalme. Aus ihrem Fruchtfleisch wird Palmöl gewonnen, ein Pflanzenöl, das als Bio-Kraftstoff zur Stromerzeugung eingesetzt wird. Auf den ersten Blick erscheint die Öl-Pflanze als alternative Energiequelle geradezu ideal: Bei ihrer Verbrennung wird nur so viel Kohlendioxid freigesetzt, wie sie zuvor während ihres Wachstums aus der Atmosphäre aufgenommen hat. Anders als bei der Verbrennung von Kohle gelangen dadurch keine zusätzlichen Mengen des Treibhausgases CO2 in die Luft.

Als Beitrag zum Klimaschutz fördert Deutschland die Stromproduktion aus Biomasse. Viele Kraftwerkbetreiber setzten deshalb auf Pflanzenöl. Das Leipziger Institut für Energie und Umwelt schätzt, dass in Deutschland in diesem Jahr etwa 1,3 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Palmöl erzeugt werden. Deutschland ist mit 800000 Tonnen pro Jahr der weltweit fünftgrößte Importeur, die Palmöl-Einfuhr hat sich gegenüber dem Jahr 2000 verdoppelt.

Die wachsende Beliebtheit von Palmöl hat vor allem wirtschaftliche Gründe: Es ist um etwa 120 Euro pro Tonne billiger als Rapsöl - bei einem nur minimal geringeren Heizwert. Da die staatliche Förderung von der Art des eingesetzten Pflanzenöls unabhängig ist, lassen sich so wesentlich höhere Gewinne als mit Raps erzielen.

Die Produzenten von Ökostrom steigen daher bereitwillig auf Palmöl um, sagt Gebhart Gentner, Technischer Direktor der Stadtwerke Schwäbisch-Hall, die am Mittwoch ein Palmöl-Kraftwerk mit fünf Megawatt Leistung einweihen: ,,Raps ist aufgrund der hohen Nachfrage zu teuer geworden. Wir mussten auf Palmöl ausweichen, um unser Kraftwerk wirtschaftlich betreiben zu können.''

Die Bedeutung von Palmöl ist weltweit gewachsen. Mit einer Produktionsmenge von jährlich 33 Millionen Tonnen ist der Rohstoff mittlerweile das wichtigste Pflanzenöl. Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO hat sich die Anbaufläche der Ölpalme seit 1990 auf 12 Millionen Hektar verdoppelt - das entspricht der Fläche von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zusammen. Bis 2030 soll sich die Plantagenfläche erneut verdoppeln.

Doch die Produktion des Öls ist problematisch: ,,Für die Errichtung von Palmöl-Plantagen wird Regenwald gerodet'', sagt Eberhard Brandes, Geschäftsführer der Umweltorganisation WWF. Tatsächlich entfallen vier Fünftel der Palmöl-Produktion auf zwei Länder: Malaysia und Indonesien. Einer aktuellen Studie des Unep zufolge werden 98 Prozent des Regenwaldes in Indonesien im Jahr 2022 zerstört sein. Vor fünf Jahren ging das Unep noch vom Jahr 2032 aus und musste seine Schätzungen nun korrigieren - die Wissenschaftler hatten nicht mit dem Palmöl-Boom gerechnet.

Kahlschlag bis 2022

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel kennt die Problematik. ,,Es kann natürlich nicht angehen, dass in Indonesien der Regenwald abgeholzt wird, um Palmöl anzubauen, das wir dann in Deutschland zur Energiegewinnung einsetzen.''

Für die Erzeugung von Strom aus Palmöl werden die deutschen Kraftwerksbetreiber in diesem Jahr etwa 200 Millionen Euro an staatlichen Zuschüssen erhalten. Das geht aus einer Studie des Instituts für Energie und Umwelt hervor. ,,Wir werden dem durch eine gesetzliche Regelung den Riegel vorschieben: Bei uns sollen nur solche nachwachsenden Rohstoffe zur Energieerzeugung verwendet werden, die nachhaltig angebaut wurden'', kündigt Gabriel an.

Das Ministerium plant, am 1. Januar 2009 gemeinsam mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das die Förderung von alternativen Energiequellen regelt, eine ,,Nachhaltigkeitsverordung'' in Kraft treten zu lassen. Von diesem Zeitpunkt an sollen Kraftwerksbetreiber den staatlichen Bonus nur dann erhalten, wenn sie durch ein Zertifikat nachweisen können, dass die Herstellung des Palmöls ökologischen Kriterien entsprochen hat, heißt es aus dem Ministerium.

Pflanzenöl-Kraftwerke können nur mit staatlichen Förderungen wirtschaftlich betrieben werden. Einen Import-Stopp für Palmöl - wie das manche Umweltorganisationen fordern - könne das Ministerium nicht verhängen, da das den Regeln der Welthandelsorganisation WTO widerspräche.

Es gibt bereits erste Bemühungen für ein Zertifizierungssystem für Palmöl. Am ,,Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl'' haben Vertreter der Plantagenbetreiber, Ölimporteure, Kraftwerksbetreiber und Umweltorganisationen erste Kriterien entworfen, die nun in einer Pilotphase getestet werden. Ziel ist ein streng kontrolliertes Gütesiegel, das für ökologische Herstellung bürgen soll. Wann zertifiziertes Palmöl jedoch erhältlich sein wird, ist noch ungeklärt. Kraftwerksbetreiber rechnen damit, dass acht bis zehn Jahre vergehen werden, bis das Gütesiegel verliehen werden kann.

,,Je früher Zertifizierungssysteme greifen, desto besser'', fordert Unep-Generaldirektor Steiner eine raschere Vorgangsweise: ,,Sonst könnte es passieren, dass Pflanzenöle mehr Schaden anrichten als sie Nutzen bringen.'' Das bestätigt der Biologe Florian Siegert von der Universität München. Er hat berechnet, dass Waldbrände in Indonesien im vergangenen Jahr für drei bis 15 Prozent des gesamten vom Menschen verursachten CO2-Ausstoßes verantwortlich waren.

,,Die meisten Brände wurden gelegt, um Platz für Plantagen zu schaffen'', sagt Siegert. Dadurch wurde ein Vielfaches an CO2 freigesetzt als das, was durch den Einsatz von Palmöl anstelle von Mineralölen eingespart werden konnte. Siegert: ,,Die Klimabilanz von Palmöl aus gerodeten Regenwäldern, insbesondere aus Küstensumpfwäldern, ist eindeutig negativ.''

Durch die Rodung der Küstenwälder werde auch der Lebensraum der Orang-Utans bedroht, berichtet das Unep. Die Zahl der Menschenaffen auf der indonesischen Insel Sumatra - einem der Hauptanbaugebiete der Ölpalme - sei seit 1990 um 91 Prozent zurückgegangen. Wenn die Entwaldung weiter voranschreite, werde der Orang-Utan in Südostasien in fünf Jahren ausgestorben sein, hat die Orang-Utan-Survival-Foundation berechnet.

Doch es gibt Alternativen zur Brandrodung von Tropenwäldern: Das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung hat im Auftrag des WWF berechnet, dass Palmöl gegenüber fossilen Energieträgern klar im Vorteil ist, wenn die Ölpalmen auf tropischem Brachland angebaut werden, da durch die Bepflanzung des Ödlandes zusätzlich Kohlenstoff gebunden werde.

Die Errichtung einer Plantage auf Ödland sei jedoch teurer als das Abbrennen von Regenwäldern, berichten die Forscher. Es müssten Anreize geschaffen werden, damit die Produzenten auf die ökologische Alternative umsteigen. ,,In Indonesien gibt es bis zu 20 Millionen Hektar Bracheflächen. Sie stellen ein enormes Nutzungspotential dar'', sagt WWF-Geschäftsführer Brandes.

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