Raumfahrt:Europas neue Rakete

Die Esa-Minister haben sich nach harten Verhandlungen auf ein Nachfolgemodell für die "Ariane 5" geeinigt. Kleiner und flexibler soll das neue Modell werden. Doch die Finanzierung des Milliardenprojekts ist ein Zankapfel.

Von Alexander Stirn

Europa bekommt eine neue Rakete. Vom Jahr 2020 an soll die in die Jahre gekommene Ariane 5 durch ein flexibleres Nachfolgemodell abgelöst werden. Darauf haben sich am Mittwoch die Minister der 20 Mitgliedsstaaten der Europäischen Raumfahrtagentur Esa bei einem Treffen in Luxemburg verständigt. Deutschland wird demnach 22 Prozent der Kosten für Bau und Entwicklung der neuen Rakete übernehmen. Etwa 1,8 Milliarden Euro müssen dafür in den kommenden zehn Jahren im Bundeshaushalt eingeplant werden. Im Gegenzug kommen die anderen Esa-Staaten den Deutschen bei der Finanzierung der Internationalen Raumstation ISS entgegen, deren europäischer Anteil an den Betriebskosten zuletzt etwa zur Hälfte von Deutschland getragen wurde. Etwa 310 Millionen Euro müssen die Deutschen für die ISS in den kommenden drei Jahren einplanen.

Der nun gefundene Kompromiss war lange Zeit in der Schwebe. Noch vor zwei Jahren hatten sich die Esa-Minister bei ihrem damaligen Treffen in Neapel auf Drängen Deutschlands darauf verständigt, die bestehende Ariane 5 zu modernisieren und durch eine leistungsfähigere Variante zu ersetzen. Nun soll, wie damals bereits von Frankreich gefordert, eine neue Rakete entwickelt werden. Diese hat mit den ursprünglichen Plänen aber nicht mehr viel gemein. Sie besteht vielmehr aus einer umgebauten Hauptstufe der Ariane 5, aus der bereits für die modernisierte Ariane entwickelten Oberstufe zum Aussetzen der Satelliten und aus zwei oder vier Zusatzraketen mit festem Treibstoff, die von der kleinen Europa-Rakete Vega geborgt werden.

Der Betrieb der Internationalen Raumstation soll bis zum Jahr 2017 weiter finanziert werden

Nachdem die Grundzüge dieser Einigung schon vor dem Treffen feststanden, überraschte Frankreich die Verhandlungspartner in Luxemburg mit der Forderung, Deutschland solle sich über die bereits zugesagten etwa 180 Millionen Euro pro Jahr hinaus auch an den Baukosten der neuen Startrampe im französischen Kourou beteiligten. Weitere 600 Millionen Euro werden dafür benötigt. "Zwischendurch stand hier alles auf der Kippe", sagt Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Nach Verhandlungen, die sich am Vorabend bis zwei Uhr nachts hinzogen und auch im Laufe des Dienstags immer wieder durch Gespräche in kleinen Gruppen unterbrochen wurden, fand sich ein Kompromiss.

Die konkrete Finanzierung des sogenannten Bodensegments wurde dabei bis 2016 vertagt. Deutschland habe laut Wörner aber klar gemacht, dass es seinen fairen Anteil bezahlen wolle, im Gegenzug aber Aufträge etwa für eine Tankfabrik oder Teststände in Deutschland erwarte. Der Luxemburger Kompromiss sieht zudem vor, dass Europa die Internationale Raumstation ISS bis mindestens 2017 weiter finanzieren will - eigentlich hätte ein Betrieb bis 2020 beschlossen werden sollen. Vor allem Italien weigerte sich aber bis zuletzt, seinen Anteil wie benötigt aufzustocken. Erst als sich Deutschland bereit erklärte, beim von Italien dominierten Marsprogramm Exomars zusätzlich 15 Millionen Euro beizusteuern, ging es auch bei der ISS voran. Deutschland wird seinen Anteil an den Betriebskosten der ISS in den kommenden Jahren demnach auf 37,7 Prozent reduzieren - und damit auf den Wert der in den Verträgen zum Betrieb der Station 1995 festgelegt worden ist.

Noch sind sowohl bei der Ariane als auch bei der ISS nicht alle Punkte geklärt. Ihre Umsetzung wird dem neuen Generaldirektor der Esa obliegen, der in zwei Wochen gewählt werden soll. Gut möglich, dass Wörner hierbei ein wichtiges Wörtchen mitreden wird: Er ist aktuell der letzte verbliebene Kandidat für den Chefposten.

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