Raumfahrt:China plant eine eigene Raumstation

Konkurrenz im All: Nach dem ersten Außeneinsatz chinesischer Astronauten will China im kommenden Jahr mit dem Bau einer Raumstation beginnen. Die USA reagieren gereizt.

Alexander Stirn

China will hoch hinaus. Im vergangenen Jahr hatten chinesische Astronauten ihren ersten Außeneinsatz im All absolviert.

Raumfahrt: Ende Januar konnten die Chinesen ein "Tiangong"-Modell   im Fernsehen bestaunen.

Ende Januar konnten die Chinesen ein "Tiangong"-Modell im Fernsehen bestaunen.

(Foto: Screenshot: CCTV 1)

Nun hat die aufstrebende Raumfahrtnation das nächste Manöver im Orbit angekündigt: Im kommenden Jahr wollen die Chinesen ein erstes - noch unbemanntes - Modul in den Weltraum schicken. Es soll die Basis für eine eigene Raumstation sein.

Wie Tiangong, der "himmlische Palast", einmal aussehen soll, konnten Chinas Fernsehzuschauer bereits Ende Januar bestaunen. Als Höhepunkt einer Show zum chinesischen Neujahrsfest zeigte das Staatsfernsehen ein Modell der geplanten Station.

Mit seinen beiden Sonnensegeln, dem langen zylindrischen Bauch und dem kapselförmigen Wohnmodul erinnert Tiangong an ein frühes Ausbaustadium der ehemaligen russischen Raumstation Mir.

Nach Informationen der offiziellen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua ist das Basismodul der Station, an dem Ingenieure angeblich sieben Jahre gearbeitet haben, so gut wie fertig: Tiangong 1 soll Astronauten genügend Raum bieten, um darin zu leben und zu forschen. Es soll aber auch längere Zeit unbewohnt um die Erde kreisen können.

Das muss es auch, denn die chinesischen Pläne sind zwar ambitioniert, von großer Eile scheinen sie aber nicht geprägt zu sein: Frühestens 2011 soll mit Shenzhou 8 das erste unbemannte Raumschiff zur Rumpfstation fliegen und an sie andocken - ein Manöver, das zu den großen Herausforderungen der Raumfahrt gehört und das bislang nur Russland, die USA und seit kurzem auch Europa beherrschen.

Immerhin gilt es, zwei Raumfahrzeuge, die mit jeweils 28.000 Kilometern pro Stunde um die Erde rasen, millimetergenau aufeinander zuzusteuern. Nach einem weiteren unbemannten Versorgungsflug soll mit Shenzhou 10 schließlich die erste Crew der in China Taikonauten genannten Raumfahrer ihren Palast im Orbit beziehen.

Die USA sehen die chinesischen Raumfahrtaktivitäten, die offiziell friedlichen Zwecken dienen, aber von der Volksbefreiungsarmee geleitet werden, mit Misstrauen.

Groß ist die Sorge um die militärische Dominanz im All. Seit mehr als zehn Jahren verbietet daher ein US-Gesetz den Verkauf sämtlicher Technologien an China, die für den Bau von Raketen oder Satelliten benutzt werden könnten; sogar Solarzellen fallen darunter. Zudem versuchen die USA, ihre internationalen Raumfahrtpartner von Kooperationen mit China abzuhalten.

Mit wenig Erfolg: So schloss das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Mitte Dezember einen Vertrag mit dem Chinesischen Büro für Bemannte Raumfahrt, der eine intensive Zusammenarbeit in den kommenden Jahren vorsieht.

China plant eine eigene Raumstation

17 biologische und medizinische Experimente aus Deutschland werden an Bord sein, wenn Shenzhou8 im Jahr 2011 zu seinem Andock-Manöver aufbricht. "Deutschland baut damit seine führende Position in der Weltraumforschung aus", sagt DLR-Vorstandsmitglied Ludwig Baumgarten.

Vor wenigen Tagen verkündete zudem der europäische Satellitenbetreiber Eutelsat, der auch ein wichtiger Kunde des Pentagons ist, 2010 erstmals einen privaten Kommunikationssatelliten mit einer chinesischen Rakete ins All zu befördern.

Die Reaktion aus Washington ließ nicht lange auf sich warten: Der republikanische Kongressabgeordnete Dana Rohrabacher drohte, den europäischen Satellitenbauern die millionenschweren US-Aufträge zu entziehen, falls Eutelsat weiterhin Geschäfte mit "Schurkenstaaten und Verbreitern von Massenvernichtungswaffen" mache.

China kann das Ganze gelassen betrachten. Amerikanische Beobachter wie der Raumfahrtexperte Jeffrey Manber vermuten in Chinas detaillierter, aber vorsichtiger Ankündigung einer Raumstation gar einen letzten Versuch, beim Aufbau der Internationalen Raumstation ISS mitmachen zu dürfen.

Die unterschwellige Botschaft: Wir könnten unsere eigene Station bauen, aber wir würden davon absehen, wenn wir bei der ISS mitmischen dürfen. Zuletzt betonte Chinas Vize-Wissenschaftsminister Li Xueyong vor eineinhalb Jahren, dass sein Land ernsthaft daran interessiert sei, mit den USA bei der Weltraumforschung und der Internationalen Raumstation zusammenzuarbeiten. "Am ISS-Programm sind 16 Länder beteiligt, und wir hoffen, der 17. Partner zu werden", sagte Li Xueyong.

Die USA haben dieses Ansinnen bislang stets zurückgewiesen. Falls die Regierung Obama daran etwas ändern wolle, müsse sie das jetzt tun, schreibt Raumfahrtexperte Manber in der Aviation Week. "In einem Jahr wäre es für eine solche Einladung endgültig zu spät." Dann würde an einem neuerlichen Wettlauf ins All, dieses Mal zwischen China und den USA, kaum noch ein Weg vorbeiführen.

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