Raubtier-Garnelen vor US-Küste:Invasion der Monsterkrebse

Riesengarnelen Tiger Prawns

Archivbild einer Riesengarnele

(Foto: AFP)

Wie sie es herschaffen, weiß niemand: Vor der amerikanischen Küste tauchen Garnelen auf, die wesentlich größer sind als dort üblich - außerdem sind sie Raubtiere.

Von Kathrin Werner, New York

Die Fischer fürchten das Schlimmste. Dieses Tier gehört hier nicht hin. Es ist fast schwarz, hat helle Streifen und ist riesig, mehr als 20 Zentimeter lang. Was Mary Bryan Carlyle vor ein paar Tagen im Netz hatte, als sie für sich und ein paar Freunde das Abendessen angeln will, hatte sie noch nie zuvor gesehen. "Diese Garnele war definitiv groß genug für einen Garnelen-Hotdog, wir haben sie aber stattdessen eingefroren", sagte sie der Lokalzeitung Daily News aus Jacksonville in North Carolina.

Das tiefgekühlte Schalentier lieferte Carlyle beim Fischereiministerium von North Carolina ab, wo Biologen es untersuchten. Das Ergebnis: Die riesige Garnele hat vor North Carolina gar nichts zu suchen, sie ist ein Eindringling aus Asien, eine Giant Tiger Prawn oder Riesengarnele, Penaeus monodon, die in Amerika nicht heimisch ist.

Carlyles Garnele ist nicht die einzige ihrer Art, die derzeit vor Amerikas Küsten zwischen North Carolina um Florida herum bis nach Texas ins Netz geht. Es gibt eine regelrechte Invasion der Monsterkrebse. Laut der Meeresbehörde National Oceanic and Atmospheric Administration sind 2011 zehnmal mehr Tiger Prawns gesichtet worden als im Vorjahr - 591 Stück. 2012 und 2013 sind die offiziellen Zahlen nicht mehr so rasant gewachsen. Meeresbiologen vermuten dahinter aber einen einfachen Grund: Die Fischer haben sich an die Tiere schon so gewöhnt, dass sie sie nicht mehr abliefern, sondern einfach essen.

Heimisch sind die Tiger Prawns eigentlich in den fernen Gewässern zwischen dem südlichen Japan, Südostasien bis hinunter nach Südafrika. Wie sie es in die Vereinigten Staaten geschafft haben, ist unklar. 1988 sind 2000 Riesengarnelen aus einem Test-Zuchtbetrieb in South Carolina ins offene Meer entflohen. Allerdings sollen damals alle Tiere gefangen worden oder gestorben sein. Bis 2006 wurde auch nie wieder eine Riesengarnele vor der amerikanischen Küste gefunden.

Ob die Tiere aus den vergangenen Jahren nun doch Abkömmlinge dieser Zuchtflüchtlinge sind, ob sie aus anderen Farmen zum Beispiel in der Karibik entkommen sind, ob sie im Ballastwasser von Schiffen eingeschleppt wurden oder schlicht mit der Meeresströmung kamen, weiß bislang niemand.

Krankheitsanfällige Riesen

Die Garnelenfischerei trägt in Bundesstaaten wie Louisiana einen großen Teil zur Wirtschaftsleistung bei und hat bereits einige harte Jahre hinter sich, unter anderem wegen der BP-Ölpest im Golf von Mexiko, der Rezession und des Wirbelsturms Katrina. Außerdem beschweren sich die amerikanischen Garnelenfischer über Billigimporte aus Asien. Die Vereinigten Staaten prüfen derzeit, Importzölle gegen übersubventionierte Rivalen aus Asien zu verhängen. Ob die neue Art in ihren Netzen nun aber Fluch oder Segen für die Fischerei-Industrie wird, ist noch nicht absehbar.

Die asiatischen Garnelen werden viel größer als die kleinen blassen amerikanischen Garnelen. 30 Zentimeter können sie lang werden und mehr als 300 Gramm wiegen, wenn sie ausgewachsen sind. Einerseits sind sie essbar und lecker, viel größer und damit leichter zu fangen. Andererseits sind die asiatischen Riesen im Gegensatz zu ihren Verwandten aus Amerika keine Aasfresser, sondern Raubtiere, die sich vor allem von Krabben, Muscheln und anderen Garnelen ernähren. Die Sorge ist, dass die Stärkeren die Schwächeren fressen und die asiatischen Garnelen die eingeborenen dadurch ausrotten.

Die asiatischen Garnelen sind aber sehr krankheitsanfällig. In Asien wurden sie lange in Zuchtbetrieben gehalten, bis sie vor zehn Jahren durch eine andere, resistentere Art ersetzt wurden. Ganze Garnelengenerationen sind in Zuchtbecken in China, Vietnam und Thailand von Bakterien dahingerafft worden. Sie könnten die Krankheiten auch auf heimische Garnelen übertragen, so die Sorge der Fischer. Schlimmstenfalls würden die Riesengarnelen erst ihre amerikanischen Verwandten ausrotten und dann selbst aussterben.

Meeresbiologen arbeiten nun an detaillierterer Forschung zu den Schalentieren in ihrer neuen Umgebung. Sie hoffen, dass Fischer die Tiere weiterhin für Untersuchungen bei den Behörden abliefern - so wie Mary Bryan Carlyle in North Carolina - und sie nicht zu einem Garnelen-Hotdog verarbeiten.

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