Quantenphysik:Strings im Stress

Die String-Theorie gilt heute bei vielen Physikern als aussichtsreichste Quelle für eine "Weltformel". Doch neue Erkenntnisse treiben die Theorie in die Enge.

Thomas Bührke

Die String-Theorie gilt heute bei vielen Physikern als die aussichtsreichste Quelle für eine "Weltformel".

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Ende eines Sterns. Die String-Theorie soll helfen, sämtliche Vorgänge in der Natur zu beschreiben.

(Foto: Foto: dpa/Nasa/ESA/Hubble Heritage Team)

Dieses von manchen ersehnte mathematische Konstrukt soll eines Tages die bekannten Gesetze der Quantentheorie und der Allgemeinen Relativitätstheorie zur Quantengravitation vereinen und sämtliche Vorgänge in der Natur - von den kleinsten Elementarteilchen bis hin zu Schwarzen Löchern und dem Urknall - beschreiben.

Doch der Weg dahin ist noch sehr weit, konstatierte Hermann Nicolai, Direktor am Albert-Einstein-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Potsdam in der vorvergangenen Woche auf einer Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Heidelberg.

Von einem Schritt vorwärts konnten derweil Experimentalphysiker aus den USA auf der Konferenz berichten. Ihre einzigartigen Messungen setzen der String-Theorie engere Grenzen als bisher.

In dieser Theorie gibt es nur noch eine Art von Elementarteilchen: extrem dünne "Fäden", die wie angeschlagene Saiten schwingen. Von der Schwingungsfrequenz hängt es ab, in welchem Gewand ein String erscheint, ob als Quark oder als Elektron.

Allerdings funktioniert die String-Theorie mathematisch nur in neun oder zehn Raumdimensionen. Diese Extradimensionen bemerkt niemand, weil sie nach Vorstellung der Physiker auf winzig kleinen Skalen "aufgerollt" sind.

Wie ein Gartenschlauch

Man kann dies ansatzweise mit der Betrachtung eines Gartenschlauchs vergleichen: Aus großer Entfernung erscheint er wie eine Linie, also eindimensional. Kommt man näher, so erkennt man seine räumliche Form; aus der Ferne war seine Dicke sozusagen auf die Größe seines Durchmessers aufgerollt.

Lange Zeit sahen Experimentalphysiker keine Möglichkeit, Effekte der String-Theorie zu testen. Diese sollten sich nämlich auf so kleinen Skalen abspielen, wie sie selbst Teilchenbeschleuniger nie erreichen werden. Doch das änderte sich Mitte der neunziger Jahre, als Theoretiker auf mathematische Lösungen der Theorie stießen, in denen die Extradimensionen bis zu einen Millimeter groß sein konnten.

Besonders aufregend daran war die Vorhersage, dass das bekannte Newton'sche Gravitationsgesetz, wonach die Schwerkraft quadratisch mit der Entfernung abnimmt, im Größenbereich der verborgenen Dimensionen nicht mehr gelte. Für Experimentatoren, bot sich nun die Möglichkeit, String-Theorie zu testen.

Die weltweit genauesten Messungen des Gravitationsgesetzes auf kleinen Skalen gelingen zurzeit der Gruppe um Eric Adelberger von der Universität in Seattle, Washington. Ihre Apparatur ist etwa so groß wie ein Papierkorb und ein Muster an Präzision.

Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass die Gravitation erheblich schwächer ist als alle anderen Kräfte, beispielsweise die elektrische Anziehung. Die Schwerkraft zwischen zwei Ziegelsteinen, die nebeneinander auf dem Tisch liegen, entspricht ungefähr der Gewichtskraft von einem Milliardstel Gramm Materie im Schwerefeld der Erde. Entscheidend für das Gelingen der Messungen ist es deshalb, alle Störeffekte zu eliminieren.

Strings im Stress

Löcher in den Scheiben

Herz der Anlage sind zwei Scheiben aus Molybdän, die etwas kleiner als eine CD sind. Die untere Scheibe lässt sich von einem Motor extrem gleichförmig drehen, während die andere Scheibe an einem hauchdünnen Faden befestigt ist und genau parallel über der ersten hängt. Wären beide Scheiben gleichförmig, würden sie sich lediglich gegenseitig anziehen. Diese Kraft ist aber so klein, dass sie sich nicht genau genug messen lässt.

Daher wenden die Physiker einen Trick an. Sie bohren in beide Scheiben ringsherum in exakt gleichem Abstand 42 Löcher. Nun üben nur noch die Bereiche der Scheibe außerhalb der Löcher Schwerkraft aus. Dreht sich die untere Scheibe, so ziehen sich die beiden Scheiben vor allem in den Momenten an, in denen gerade zwei ungelochte Bereiche übereinander stehen.

Dies führt dazu, dass die obere, an dem Faden hängende Scheibe periodisch angezogen wird und beginnt, sich geringfügig in dieselbe Richtung zu drehen wie die untere. Diese Bewegung lässt sich mit einem auf die Aufhängung gerichteten Laser sehr genau messen und daraus die Gravitationskraft berechnen.

In ihren jüngsten Experimenten haben die Physiker um Adelberger den Abstand zwischen den beiden Scheiben stufenweise von zehn Millimeter auf 55 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) verringert. Das Ergebnis war eindeutig: Selbst auf kleinster Skala zeigt sich keine Abweichung vom Newton'schen Gesetz. Damit muss die größte der aufgerollten Dimensionen kleiner als jene 55 Mikrometer, also als ungefähr ein Zwanzigstel Millimeter sein - sofern es sie überhaupt gibt.

Schon jetzt konnte die Gruppe in Seattle damit einige Varianten der String-Theorie und exotische Varianten ausschließen. Wie Adelbergers Mitarbeiter Jens Gundlach sagt, wollen die Forscher zukünftig bis auf 20 Mikrometer herunter messen. Damit bedrängen sie die Theorie weiter.

"Wenn das Newton'sche Gesetz bei zehn oder einem Mikrometer Abstand immer noch gilt, wird es für die String-Theorie sehr eng", sagte Hermann Nicolai in Heidelberg.

Dann stellt sich vielleicht sogar die Frage, ob es überhaupt eine Theorie der Quantengravitation gibt. Doch daran zweifeln die Physiker nicht.

Obwohl die Quantentheorie den Mikrokosmos und die Relativität das Universum gut beschreiben, müssen beide zusammenkommen, um das Innere von Schwarzen Löcher oder den Urknall zu charakterisieren. Erst eine vereinheitlichte Theorie der Quantengravitation könnte den Beginn der Welt erklären. Ein großes Ziel, für das sich Physikern zufolge nahezu jede Mühe lohnt.

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