Im Menschen steckt ein Motztopf, der unter stetem Druck steht. Beim kleinsten Anlass entweicht daraus Gemecker, Gemoser und Gemaule. Es kann einem noch so gut gehen, es findet sich doch immer ein Anlass, das Schicksal zu beklagen. Um das allgemeine Gejaule einzuordnen und zu ertragen, hilft es, die dahinterliegenden Denkprozesse zu verstehen.
Die beiden Psychologen Shai Davidai und Thomas Gilovich zeigen nun in einer Arbeit im Journal of Personality and Social Psychology, warum so viele Menschen finden, dass sie es besonders schwer haben und im Gegensatz zu allen anderen benachteiligt würden. Der einfache Grund lautet, dass einem Widrigkeiten besonders leicht in den Sinn kommen, während die glücklichen Fügungen eher aus dem Gedächtnis verwehen. Klar, dass daraus ein Meckerdrang entsteht.
Die eigene Karriere? Ein harter Kampf
Die Psychologen haben ihre Beobachtung die "Asymmetrie von Gegenwind und Rückenwind" getauft. So lange ein Radfahrer mit Gegenwind zu kämpfen hat, wünscht er sich nichts sehnlicher, als dass diese Qual endlich aufhört. Wenn dann aber der Wind von hinten bläst, ist das zwar kurz angenehm, aber ebenso schnell auch normal und vergessen. In der Rückschau erinnert sich der Radler dann vor allem an den scharfen Wind von vorne - und zieht den Schluss, dass er es mal wieder besonders schwer hatte.
Dieses Denkmodell lässt sich auf viele Bereiche des Lebens übertragen, was Davidai und Gilovich in mehreren Experimenten getan haben. Stets erinnerten sich die Teilnehmer vor allem an Hindernisse und Widrigkeiten, die sie zu überwinden hatten. Und, das ist entscheidend, bei ihren Mitmenschen sahen sie hingegen nur die positiven Aspekte.
Nicht jedes Alltagsgemaule allzu ernst nehmen
Die eigene Karriere? Ein harter Kampf. Die Kollegen? Haben es alle leichter. Sie sind alle Männer, gegen die sich eine Frau erst mal durchsetzen muss; die Frauen werden alle gefördert, während man als Mann heute im Regen steht. So ungefähr sieht das Denkmuster aus, das einen Hauptantrieb des menschlichen Meckerdrangs darstellt. Den Gegenwind im Gesicht spürt man eben besser, als jenen Luftzug, der einen auf den Rücken trifft.
Eine Konsequenz aus dem Befund dieser Studie sollte sein, nicht jedes Alltagsgemaule allzu ernst zu nehmen. Und für einen selbst bedeutet dies, nicht im Selbstmitleid zu baden, sondern anzuerkennen, dass auch alle anderen mit Gegenwind zu kämpfen haben. So lange es sich um Alltagswidrigkeiten handelt, gilt ohnehin: Über alle diese Kleinigkeiten können wir uns nur so leidenschaftlich aufregen, weil wir die meisten existenziellen Probleme bereits überwunden haben.