Psychologie:Liebes Smartphone, lass mich niemals los!

Frau mit Smartphone

Menschen, die auf Bildschirme tippen. Und wenn nicht, dann halten sie ihr Gerät trotzdem ständig in der Hand.

(Foto: dpa)
  • Erstaunliche viele Passanten tragen ihr Smartphone in der Hand, selbst wenn sie es nicht benutzen - als würden sie sich an einen wesentlichen Bestandteil ihres Lebens oder ihrer Persönlichkeit klammern.
  • 33,3 Prozent der in einer Studie untersuchten Passantinnen trugen ihr Smartphone in der Hand, während es unter den Männern 19,7 Prozent waren.
  • Am niedrigsten war die Rate der Handyträger, wenn eine Frau und ein Mann zusammen die Straße entlangliefen.

Von Sebastian Herrmann

Auf der Reise durch ihr Leben schleppen die Menschen sehr viel Gepäck mit sich. Sorgen, Hoffnungen, Ängste, Träume, Nöte und natürlich ihr Smartphone. Der kleine Computer für unterwegs ist fast immer dabei, wer weiß, was sonst passieren könnte: Nicht auszudenken, wenn einem wesentliche Teile des Nachrichtenverlaufs in der Whatsapp-Gruppe des Kindergartens fehlten! Und selbstverständlich bereitet es Unbehagen, wenn einem die Food-Fotos der Instagram-Influencer erst mit Verzögerung serviert werden oder die nächste Push-Meldung ("Breaking News!") unbeachtet verhallt.

Es ließe sich also mit einigem Recht behaupten, dass die Menschen heutzutage weniger Gepäck als einfach ihr Smartphone durch das Leben schleppen. Wie leicht Bestätigung für diese These im Stadtbild zu finden ist, zeigen Laura Schaposnik und James Unwin von der University of Illinois in Chicago. Wie sie im Fachblatt Behaviour berichten, tragen erstaunliche viele Passanten ihr Smartphone in der Hand, selbst wenn sie es nicht benutzen - als würde sie sich an einen wesentlichen Bestandteil ihres Lebens oder ihrer Persönlichkeit klammern, stets voll Sorge vor Verlust.

Was soll das, drehen jetzt alle hohl?

Die Daten der Wissenschaftler stammen aus Paris. Dort beobachteten Schaposnik und Unwin etwas mehr als 3000 Passanten in sechs Stadtvierteln und achteten darauf, ob diese ihr Smartphone in der Hand hielten. War dies der Fall und das Gerät gleichzeitig nicht in Gebrauch, kategorisierten die beiden Wissenschaftler die jeweiligen Passanten als "Handy-Läufer" (Phone walker). Insgesamt trugen 674 Personen ihr Smartphone in der Hand spazieren.

Wobei dieses Verhalten unter Frauen etwas häufiger anzutreffen war: 33,3 Prozent der Passantinnen trugen ihr Smartphone in der Hand, während es unter den Männern 19,7 Prozent waren. Insbesondere, wenn sie alleine unterwegs waren, mutierten die beobachteten Flaneure zu Handy-Läufern: Dann hatten 37,1 Prozent der Frauen das Gerät in der Hand und 30,4 Prozent der Männer. Am niedrigsten war die Rate der Handyträger, wenn eine Frau und ein Mann zusammen die Straße entlangliefen - vermutlich, so die Forscher, weil es sich dabei oft um Paare handelte. Und einer Beziehung tut es in den wenigsten Fällen gut, wenn einer der beiden Beteiligten nebenher ein libidinöses Verhältnis zu seinem Smartphone pflegt.

Da drängt sich sofort die Frage auf: Was soll das, drehen jetzt alle hohl? Selbstverständlich bieten Schaposnik und Unwin mögliche Erklärungen für ihre Beobachtung an. Dass Passanten ihre Handys offen herumtragen , könnte signalisieren, dass sie ständig erreichbar und damit wohl integrierte Mitglieder einer Gemeinschaft seien. Wer nämlich bei Facebook oder anderswo hohen Status haben wolle, der müsse so schnell wie möglich auf Interaktionen reagieren. Und im romantischen Kontext, haben Studien gezeigt, erwarten die Smartphone-Menschen der Gegenwart, dass ihr Schatz maximal fünf Minuten braucht, um auf eine Nachricht zu antworten.

So führe der Smartphone-Läufer also vor, dass er ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft sei, argumentieren die Forscher. Zudem seien die Geräte Statussymbole, so wie teure Handtaschen oder Markenkleidung - diese wirken nur, wenn sie gezeigt werden. Schließlich könnte sich in dem Verhalten eine Art Abhängigkeit spiegeln, im Sinne von: Wer sein Handy nicht bei sich weiß, bricht in Nervosität aus. Das könnte auch den beobachteten Geschlechterunterschied erklären, denn unter Frauen, so die Forscher, sei problematischer Handygebrauch häufiger zu beobachten. Vielleicht tragen Männer aber einfach eher Hosen mit Taschen.

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