Psychologie:Eine schlechte Wahl

Wer bei Entscheidungen zu früh manche Optionen ausschließt, landet oft bei einer unbefriedigenden Lösung. Doch genau dazu neigen wir offenbar. Diese Erkenntnis soll helfen, Depressionen zu verstehen.

CHRISTIAN WEBER

Zu den Tragödien des Lebens gehört, dass man Entscheidungen treffen muss, von denen man nicht weiß, wo sie am Ende hinführen. Wer etwa einen Zug im Schachspiel ausführen will, kann nicht alle Optionen bedenken, die sich nach 30 weiteren Zügen ergeben könnten.

Und wer eine Urlaubsreise plant, hat trotz Google Earth nicht die Zeit, alle in Frage kommenden Ziele ordentlich zu prüfen.

Um dennoch rechtzeitig zu Ferienbeginn gebucht zu haben, beschneiden die meisten Menschen den Entscheidungsbaum schon beim ersten Schritt: Sie entschließen sich zum Beispiel aus Gründen der Bequemlichkeit, nur Ziele in Betracht zu ziehen, für die sie bei der Anreise nicht umsteigen müssen.

Ein solches Vorgehen kann aber dazu führen, dass sie letztlich eine schlechte Entscheidung fällen: eine, die sie im Ergebnis unglücklicher macht als die Variante mit Umsteigen. Diese könnte nämlich andere, insgesamt größere Vorteile bieten.

Dies zumindest meinen Forscher um Quentin Huys vom University College London belegen zu können (PLoS Computational Biology, Bd. 8, S. e1002410, 2012).

In ihrer Studie mussten 46 Versuchsteilnehmer einen Weg durch verschiedene Entscheidungsbäume planen, bei dem sie an jeder Abzweigung Geld verlieren oder gewinnen konnten. Dabei zeigte sich, dass fast alle Probanden Wege vermieden, bei denen sie bereits beim ersten Schritt viel Geld verloren hätten.

Dies war selbst dann der Fall, wenn sie an nur drei Abzweigungen je zwei Optionen bedenken mussten, sie sich also recht einfach hätten ausrechnen können, ob der Anfangsverlust am Ende wieder kompensiert wird.

"Die Probanden tendierten dazu, Entscheidungsäste zu ignorieren, die auf größere Verluste folgen", schreiben die Autoren und nennen ein solches Verhalten "pawlowsch", benannt nach dem russischen Mediziner, der Hunden Reflexe antrainierte.

Überraschenderweise neigten zu einem solchen Verhalten insbesondere jene Probanden, die leichte, wenn auch subklinische depressive Symptome zeigten. Womöglich sei es daher sinnvoll, so die Autoren, auch das Entscheidungsverhalten zu beachten, wenn man Depressionen verstehen möchte.

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