Prozac und Co.:Fragwürdige Stimmungsmacher

Diese Nachricht wird viele Patienten, Mediziner und Pharmafirmen gleichermaßen enttäuschen: Eine Gruppe weitverbreiteter Mittel gegen Depressionen scheint kaum Wirkung zu zeigen.

Werner Bartens

Die Nachricht ist ein Stimmungskiller. Zunächst wird sie die Laune der Firmen verderben, die Antidepressiva herstellen.

Prozac und Co.: Prozac - in Deutschland Fluctin genannt - ist bislang weltweit von 40 Millionen Menschen geschluckt worden.

Prozac - in Deutschland Fluctin genannt - ist bislang weltweit von 40 Millionen Menschen geschluckt worden.

(Foto: Foto: Reuters)

Aber auch Ärzte werden enttäuscht sein, die jene Mittel, die in der Fachsprache SSRI heißen, millionenfach verschrieben haben.

Allein der prominenteste Vertreter Prozac - in Deutschland Fluctin genannt - ist weltweit von 40 Millionen Menschen geschluckt worden.

Besonders niedergeschlagen werden wohl auch Menschen reagieren, die regelmäßig die Psychopharmaka eingenommen haben und jetzt erfahren, dass deren Wirkung kaum stärker ist als die von Zuckerpillen. Dies legt zumindest eine Studie im Fachblatt PLOS Medicine nahe.

"Patienten ging es zwar besser, wenn sie Antidepressiva nahmen", sagt Irving Kirsch von der britischen Universität Hull, der die Studie geleitet hat. "Es ging ihnen aber auch besser, wenn sie Scheinmedikamente bekamen. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen war nicht sehr groß."

Immerhin sei ein positives Ergebnis seiner Analyse, dass es Depressiven auch ohne Pharmakotherapie besser gehen könne, findet Kirsch.

Mit Kollegen aus Nordamerika hatte der Forscher alle Daten ausgewertet, die bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eingereicht wurden, um zwischen 1987 und 1999 die Zulassung für vier bekannte Antidepressiva zu bekommen.

Unerwünschte Ergebnisse werden nicht publiziert

Die Wissenschaftler bezogen in ihre Meta-Analyse auch nicht publizierte Studien ein. Das erhöht die Qualität der Auswertung, denn der Stand der Wissenschaft beruht oft auf verzerrten Grundlagen, weil Studien mit positivem Ausgang häufiger veröffentlich werden - und Arzneihersteller wie Forscher Untersuchungen mit negativem Ergebnis oft nicht publizieren.

Kirsch und sein Team entdeckten in ihrer Analyse, dass sich die Stimmung der Probanden durch Antidepressiva kaum verbesserte. Bei leichter wie bei schwerer Depression fand sich kaum ein Unterschied zur Behandlung mit Placebos. In der kleinen Gruppe der sehr schwer Depressiven war die Wirkung zwar etwas stärker, aber immer noch gering ausgeprägt.

"Man kann nicht voraussagen, welches Mittel wem hilft, und muss daher oft das Gießkannenprinzip anwenden", sagt Wolfgang Maier vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie. "Eine Meta-Analyse wie diese kann Vorteile im Einzelfall schon mal einebnen."

"Eine solche Zusammenschau der verfügbaren Daten ist das einzige Mittel, um mehr Klarheit zu bekommen", sagt Gerd Antes vom Deutschen Cochrane-Zentrum, das die Qualität medizinischer Studien bewertet. "Lässt sich bei einer derartigen Analyse nicht zeigen, dass Medikamente besser als Placebos sind, sollte man den Gebrauch der Mittel überdenken."

Nach Schätzungen der Ärzte leiden fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung an einer Depression - vier bis acht Millionen Menschen allein in Deutschland. Diese Angaben werden jedoch bezweifelt, weil sich in den USA die Zahl der angeblich Betroffenen in den neunziger Jahren verdreifacht hat, als neue Antidepressiva aggressiv beworben wurden. Kritik wurde auch laut, als sich jüngst unter Therapie mit Antidepressiva Suizide häuften.

"Sieht man unsere Ergebnisse, gibt es wenig Gründe, diese Antidepressiva zu verordnen", sagt Kirsch. Der britische Psychiater Tim Kendall empfiehlt, künftig nicht mehr allein Studien von Pharmafirmen zu vertrauen. Britische Behörden überprüfen derzeit ihre Empfehlungen zu Antidepressiva. "Aus der Abwägung von Vorteilen und Nachteilen wurden die Mittel damals zugelassen", sagt Psychiater Maier.

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