Positive Begriffe in der Sprache:Sieg des Guten

In den großen Sprachen der Welt sind positiv besetzte Begriffe deutlich in der Überzahl. Das Schlechte hat wenig Platz in Wörterbüchern, berichten Forscher. Ihre Analysetechnik könnte auch die Stimmung in sozialen Netzwerken messen.

Von Sebastian Herrmann

Das Gute in der Welt existiert im Überfluss, zumindest in Wörterbüchern. Dort wimmelt es von positiven Ausdrücken, von Begriffen für das Schöne, Gute, Wünschenswerte. Mathematiker, Informatiker und Statistiker um Peter Sheridan Dodds von der Universität Vermont können diese Schwärmerei nun mit Daten unterfüttern: Die Wissenschaftler werteten mehrere Milliarden Wörter aus, die auf zehn verschiedenen Sprachen in Büchern, Zeitungen, dem Internet, in sozialen Netzwerken und anderen Quellen auftauchen (PNAS, online). Und ihr Fazit ist rosig: In allen analysierten Sprachen haben positiv besetzte Begriffe numerisch eindeutig die Oberhand gegenüber Wörtern für das Negative.

Die ausgewerteten Quellen reichten von arabischen Filmuntertiteln, Artikeln aus der New York Times, russischer Literatur, chinesischen Webseiten, bis hin zu Tweets auf Koreanisch und Deutsch. Aus diesem Datensatz extrahierten die Wissenschaftler die etwa 10 000 am häufigsten gebrauchten Wörter der jeweiligen Sprache. Dann baten sie Muttersprachler, auf einer neunstufigen Skala einzuschätzen, ob die Begriffe positiv, negativ oder neutral besetzt sind. So ergab sich zum Beispiel im Englischen ein Wert von 8,5 für den positiven Begriff "Laughter" (Gelächter), 4,98 für den neutral besetzten bestimmten Artikel "the" sowie 1,3 für das negativ empfunden Wort "terrorist".

Mit der Digitalanalyse lassen sich Stimmungen ganzer Bevölkerungen beobachten

Alle zehn untersuchten Sprachen offenbarten in dieser Analyse einen deutlichen Überhang positiver Begriffe. Die Wissenschaftler bewerten das als Beleg für die sogenannte Pollyanna Hypothese, die 1969 von den amerikanischen Psychologen Jerry Boucher und Charles Osgood formuliert wurde und derzufolge es eine universelle menschliche Neigung gebe, positive Begriffe häufiger zu verwenden als negativ besetzte. Menschen, so schrieben die Psychologen vor mehr als 40 Jahren, neigten dazu, die Sonnenseite des Lebens zu betrachten und zu beschreiben. Die aktuelle Arbeit spricht dafür, dass dies zutrifft.

Abseits dieser akademischen Diskussion eigne sich die Analysetechnik dazu, in Echtzeit die Verbreitung von Emotionen zu beobachten, so die Forscher. Sie ließe sich als "Hedonimeter" nutzen, um damit Stimmungen bei Twitter oder in anderen Quellen zu analysieren.

Zudem jagten die Wissenschaftler große Romane der Literaturgeschichte durch ihre Analyseinstrumente. Der Verlauf von Romanen wie ""Moby Dick" oder "Der Graf von Monte Christo" stellte sich dar wie das Auf und Ab eines Aktienkurses.

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