Physiklehrer:"Was heißt schon brauchen?"

Müssen Schüler Bekanntschaft mit dem Higgs-Teilchen machen? Unbedingt, meint Ulrich Kloppenburg. Davon hat ihn ein Besuch im Forschungszentrum Cern überzeugt.

Interview von Marlene Weiß

Die Hans-Riegel-Stiftung will den Physikunterricht näher an die Wissenschaft heranbringen und hat darum Anfang August erstmals Lehrer zu einer Intensiv-Fortbildungswoche ans Teilchenforschungszentrum Cern bei Genf geschickt. Einer von ihnen war Ulrich Kloppenburg, Gymnasiallehrer in Siegburg.

SZ: Sie sind Diplomphysiker und erst als Quereinsteiger Lehrer geworden. Haben Sie jetzt am Cern bereut, dass Sie nicht in der Forschung geblieben sind?

Ulrich Kloppenburg: Nein, bereut nicht. Ich halte Forschung für eine sehr spannende und wichtige Aufgabe, habe aber meine Berufung darin gefunden, jungen Leuten den Spaß an der Physik zu vermitteln. Ich fand es übrigens toll, dass am Cern so viele Frauen arbeiten. Jetzt kann ich engagierter versuchen, auch Mädchen für Naturwissenschaften zu motivieren, und ihnen sagen: Ihr wärt nicht die einzigen.

Sie haben ein sportliches Programm hinter sich; die wirren Feynman-Diagramme, die Physiker malen, das Higgs-Teilchen und so weiter. Wie wollen Sie das Schülern beibringen? Viele steigen ja schon bei den einfachsten Atommodellen aus.

Ich werde einiges auf jeden Fall im Unterricht in der Oberstufe verwenden. Elementarteilchenphysik steht in Nordrhein-Westfalen sowieso schon im Curriculum. Was ich zusätzlich umsetzen kann, hängt aber auch von den Kursen ab, die ich unterrichte. Manche Schüler sind sehr interessiert, andere weniger.

Aber brauchen Grundkurs-Schüler das alles überhaupt? Wer muss jemals Quark-Wechselwirkungen ausrechnen?

Was heißt schon brauchen? Die Emser Depesche aus dem Geschichtsunterricht und vieles andere braucht man auch nicht direkt. Es ist so ähnlich wie Latein, das man nicht im Alltag verwendet, aber bei Bedarf im Hinterkopf hat.

Physik und Mathematik haben ja nicht den allerbesten Ruf unter Schülern.

Ich mag es gar nicht, wenn Leute damit kokettieren, dass sie mit Physik oder Mathe nichts anfangen können. "Mathe konnte ich noch nie", heißt es oft, das ist gesellschaftlich vollkommen akzeptiert. Und wenn in einem Film ein seltsamer Lehrer vorkommt, ist das immer der Mathelehrer. Dabei ist es so wichtig, in Naturwissenschaften mitreden zu können.

Und wenn Sie mal stecken bleiben, wenn Sie jetzt komplizierteste Teilchenphysik im Unterricht ausbreiten?

Es ist meine Aufgabe, den Schülern auch komplizierte Zusammenhänge zu erklären. Ich weiß nach der Fortbildung auf jeden Fall mehr und habe ein viel besseres Verständnis, welche fundamentalen Gedanken hinter den Modellen stecken. Ich finde Lehrer unglaubwürdig, die nicht zugeben können, dass sie etwas nicht wissen. Wenn ich eine Frage nicht beantworten kann, dann sage ich das und informiere mich.

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