Physik:Des Ritters große Last

Natürlich ist eine Rüstung aus Metall, wie sie im Mittelalter getragen wurde, ziemlich schwer. Allerdings ist der Energieverbrauch, den die Panzerung dem Ritter abforderte, deutlich höher als gedacht. Ging deshalb die Schlacht von Azincourt 1415 für Frankreich verloren?

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Wenn unsere Kleinen wüssten, wie mühsam es war, eine Ritterrüstung zu tragen - vermutlich bliebe es uns erspart, den Nachwuchs jedes Jahr zu Fasching mit Plastikpanzern, Helmen und martialischen Mordwerkzeugen auszustatten.

Den spätmittelalterlichen Ritter kostete es immerhin doppelt so viel Energie, sich in einer Rüstung zu bewegen, als ohne. Das konnten Wissenschaftler jetzt im Labor nachweisen.

Für ihr Experiment hatten Graham Askew von der University of Leeds und Kollegen aus Großbritannien und Italien das Royal Armouries Museum um Hilfe gebeten. Dieses britische Nationalmuseum für Waffen und Rüstungen verfügt über Nachbildungen von Originalrüstungen aus dem 15. Jahrhundert, die bei Schaukämpfen eingesetzt werden.

Vier Mitarbeiter der Royal Armouries, die in Schaukämpfen mit den Rüstungen geübt sind, fanden sich bereit, ausgestattet mit dem Körperschutz aus Metallplatten auf das Laufband zu steigen und dabei Atemmasken zu tragen, mit denen sich Sauerstoffverbrauch und Kohlendioxidausstoß messen ließen.

Zusätzlich zur äußeren Rüstung waren die Männer mit einem Gambeson ausgerüstet, einem dicken Untergewand aus Stoff, wie es auch die mittelalterlichen Ritter unter der Rüstung trugen. Die Ausrüstung waren exakte Nachbildungen von Originalen wie etwa der Rüstung von William Martyn, Sheriff von London im ausgehenden 15. Jahrhundert.

Insgesamt mussten die Männer damit 30 bis 50 Kilogramm zusätzliches Gewicht tragen. Wie die Wissenschaftler berichten, war die Beweglichkeit der Testpersonen dadurch kaum eingeschränkt. Sogar Räder konnten sie schlagen. Doch "wir haben festgestellt, dass das Tragen eines Gewichts, das so über den Körper verteilt ist, mehr Energie benötigt als das Tragen eines gleichschweren Rucksacks", erklärt Askew. "Das liegt daran, dass bei einer Rüstung die Gliedmaßen mit Gewicht belastet sind. Das bedeutet, man braucht mehr Aufwand, um sie beim Gehen zu bewegen. Wenn man einen Rucksack trägt, ist das leichter."

Dazu kommt, dass das Atmen durch das Visier und den Brustpanzer erschwert wird, der die Träger zu einem schnellen, flachen Atmen zwingt. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitung Proceedings of the Royal Society B berichten, lag der Energieverbrauch der Test-Ritter beim Gehen auf dem Laufband bei mehr als dem Doppelten des üblichen Verbrauchs. Beim Rennen war er immer noch fast zweimal höher. Das wirkt sich natürlich auch auf die Ausdauer und die Geschwindigkeit aus.

Doch für die Ritter des Mittelalters müssen die Rüstungen einen Sinn als Schutz gehabt haben - sonst hätten sie sie als Fußsoldaten wohl kaum getragen. Möglicherweise verfügten sie über spezielle Bewegungsmuster, die das Tragen erleichterten, vermutet der US-Physiologe Thomas Roberts von der Brown University bei ScienceNow, dem Nachrichtenportal der Fachzeitung Science.

Vielleicht erwiesen sich die Rüstungen unter bestimmten Umständen allerdings als erheblicher Nachteil. So wäre die Schlacht bei Azincourt 1415 zwischen England und Frankreich für die französischen Ritter unter König Karl VI. möglicherweise besser ausgegangen, wenn sie sich mit ihren schweren Rüstungen nicht durch sehr matschiges Gelände hätten bewegen müssen, vermutet man an der University of Leeds. Als die Franzosen schließlich auf das englische Heer von König Heinrich V. stießen, waren sie vermutlich erschöpft. Es kam zum vielleicht größten Sieg der Engländer über die Franzosen während des ganzen Hundertjährigen Krieges.

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