Periodensystem: Element 112:"Bavarium wäre ein schöner Name"

Jahre nach seiner Entdeckung wird Element 112 offiziell anerkannt. Physiker Sigurd Hofmann und sein Team sind auf der Suche nach einem Namen.

Christina Merkel

Physiker der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt haben das Element 112 zum ersten Mal vor 13 Jahren erschaffen. Jetzt hat die zuständige Behörde die Entdeckung anerkannt, und Nummer 112 wird in das Periodensystem der Elemente aufgenommen. Das Team um Kernphysiker Sigurd Hofmann darf vorschlagen, wie es heißen soll.

Periodensystem: Element 112: "Eindeutige Ergebnisse": Sigurd Hofmann, der Leiter des Entdeckerteams von Element 112.

"Eindeutige Ergebnisse": Sigurd Hofmann, der Leiter des Entdeckerteams von Element 112.

(Foto: Foto: GSI)

SZ: Herr Hofmann, wie kann im Labor ein neues Element entstehen?

Hofmann: Wir haben elektrisch geladenen Zinkatome mit einer Geschwindigkeit von 100 Millionen Kilometern pro Stunde auf eine Bleifolie geschossen. Treffen sich ein Kern eines Zink- und eines Bleiatoms, können sie zu einem Atomkern des neuen Elements verschmelzen.

SZ: Das 112. des Periodensystems.

Hofmann: Die Zahl entsteht nicht durch Nummerierung, sondern durch die Ausgangsatome. Ein Zink-Atomkern hat 30 Protonen, in einem Bleiatomkern befinden sich 82. Macht 112 Protonen für den neuen Atomkern.

SZ: Weshalb hat die IUPAC, die Internationale Union für reine und angewandte Chemie, die Entdeckung nicht sofort anerkannt?

Hofmann: Sie bestätigt ein neues Element erst, wenn auch andere Labore die Experimente wiederholen konnten. Unser erstes Atom existierte nicht einmal eine Millisekunde lang, bevor es wieder zerfallen war. Neben der GSI hatten weitere Institute behauptet, das Element zuerst entdeckt zu haben. Diese Ansprüche muss die IUPAC prüfen. Ihre unabhängigen Experten schauen sich die Versuchsanlagen sogar vor Ort an. Sie entscheiden dann, wer wirklich der Erste war.

SZ: Wie haben Sie sich durchgesetzt?

Hofmann: Unsere Ergebnisse waren am eindeutigsten. Wir haben auch die meiste Erfahrung. Die Elemente 107 bis 111 haben wir bei der GSI entdeckt.

SZ: Weshalb sind Sie auf der Suche nach immer schwereren Elementen?

Hofmann: Die Theorie sagt, dass es innerhalb der Elemente eine sogenannte Insel der Superschweren gibt. Diese Elemente sollen eine besonders lange Lebensdauer von bis zu mehreren Millionen Jahren haben. Das führt uns zur Entstehung unserer Erde zurück, deshalb wollen wir diese Insel finden.

SZ: Wie weit ist sie noch entfernt?

Hofmann: Als ich Anfang der 70er Jahre frisch von der Uni an die GSI kam, standen hier noch leere Hallen. Die Elemente waren nur bis zur Nummer 106 bekannt. Wir haben uns schrittweise vorgearbeitet. Element 108 liegt auf dem Weg zur Insel. Es hält sich noch 14 Sekunden. Dann folgt ein Meer der Instabilität. Wir waren sehr überrascht, dass auch ein Element 112 noch entstehen kann.

SZ: Sie und Ihr Team dürfen jetzt über den Namen des neuen Elements entscheiden. Wie machen Sie das?

Hofmann: Alle 21 Forscher, die damals mitgearbeitet haben, dürfen diskutieren. Wir machen das per E-Mail, weil die Personen inzwischen an unterschiedlichen Instituten in ganz Deutschland, Finnland, der Slowakei und Russland arbeiten.

SZ: Werden sich 21 Leute einig?

Hofmann: Das funktioniert ganz gut. Jeder darf seine Vorstellungen einbringen. Derzeit haben wir eine Liste mit 20 Namen, die gehen wir nun gemeinsam noch einmal durch. Ich denke, dass wir uns in den nächsten ein bis zwei Wochen einigen können.

SZ: Wie lautet Ihr Favorit?

Hofmann: Das kann ich nicht verraten. Das gäbe nur Unruhe in der Gruppe. Wir wollen erst geschlossen mit einem Namen an die Öffentlichkeit treten.

SZ: Welche Namen wären möglich?

Hofmann: Häufig werden berühmte Persönlichkeiten der Atomforschung als Namenspaten genommen. Element 107 heißt zum Beispiel Bohrium, 111 Roentgenium. Für Element 109, Meitnerium, steht Lise Meitner Patin, die gemeinsam mit Otto Hahn die Kernspaltung entdeckte. Möglich wäre, dass wieder eine Frau an die Reihe kommt.

SZ: Oder vielleicht Wixhausen, der Stadtteil von Darmstadt, in dem die GSI ihren Sitz hat?

Hofmann: Ich denke, mit Hassium, Lateinisch für Hessen, und Darmstadtium kam die Region genug zu Ehren. Würde die GSI in Bayern sitzen, könnte Nummer 112 Bavarium heißen, das wäre doch ein schöner Name.

SZ: Gibt es auch offizielle Vorgaben für die Namensgebung?

Hofmann: Der Name darf noch nie für ein Element verwendet worden sein, auch nicht inoffiziell in einem einzelnen Labor. Zu Zeiten des Kalten Krieges hatten beispielsweise russische und amerikanische Labors unterschiedliche Elemente fast gleich benannt. Auch die möglichen Abkürzungen dürfen nicht schon in der Chemie bestehen.

SZ: Werden die Chemiebücher umgeschrieben, sobald Sie sich entschieden haben?

Hofmann: Erst veröffentlicht die IUPAC unseren Vorschlag als vorläufige Empfehlung. Dann hat die Wissenschaftsgemeinde ein halbes Jahr Zeit, Einspruch zu erheben. Neu gedruckt wird wohl erst mit der nächsten Auflage.

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