Partnerland Österreich:Quanten am Morgen

Frühstücksteilchen: In der Quantenphysik leistet Österreich Spitzenforschung - und stellt dies bei der Tagung in Lindau bereits beim Frühstück unter Beweis.

Von Johanna Pfund

Quantenphysik um sieben Uhr morgens. Das mag nicht für jeden ein Grund sein, aufzustehen. In Lindau ist das anders. Die einwöchige Nobelpreisträgertagung hat an diesem Montag gerade begonnen, und Österreich als diesjähriges Partnerland gibt das erste Science Breakfast mit dem Schwerpunkt Quantenphysik. Kurz nach sieben ist der Saal gefüllt, mit Nachwuchswissenschaftlern, mit zwei Nobelpreisträgern, Bill Phillips und David Wineland, mit den österreichischen Spitzenwissenschaftlern Rainer Blatt von der Uni Innsbruck und Anton Zeilinger, Quantenphysiker an der Uni Wien sowie Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Quantenphysik ist nicht zufällig das Thema bei diesem morgendlichen Treffen. Österreich hat sich einen guten Ruf auf diesem Gebiet erworben - wobei auch die Medizin-Uni in Wien und das neue Exzellenzzentrum IST Austria in Klosterneuburg als führend gelten. Zehn Prozent aller in Österreich eingeworbenen Eu-Forschungsgelder gehen aber in die Quantenphysik, wie Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner vor der Tagung auf Anfrage erläutert. Die Investition lohnt sich offenbar. "Innsbruck zählt auf dem Gebiet zu den Top-Unis in Europa", sagt Robert Keil, einer der Nachwuchswissenschaftler, die in Lindau zu Gast sind. Er und seine Kommilitonin sind Beweis dafür, dass die Internationalisierung des österreichischen Wissenschaftsbetriebs, die sich das Ministerium auf die Fahnen geschrieben hat, im Gang ist. Keil ist Deutscher, aber nach Innsbruck gegangen - wegen der Quantenphysik. Diese, genauer gesagt, die Quantenoptik, hat Kaisa Laiho aus Finnland ebenfalls nach Österreich gezogen - und nun ist sie wie Keil hier, um von den Großen ihres Forschungsgebiets zu hören, um das ein oder andere Gespräch zu führen. "Mich interessieren vor allem die Geschichten, die sie über ihren Werdegang erzählen, über Widerstände und Erfolge", sagt Keil.

Technologie ist das eine, Grundlagenforschung das andere

Er wird an diesem Morgen nicht enttäuscht. Weder Phillips, noch Blatt oder Zeilinger halten mit Meinung und Geschichten hinter dem Berg. Geht es in der Quantenphysik zu langsam voran? Nein, sagt Blatt, der dieses Jahr auch das wissenschaftliche Programm der Lindauer Tagung mit konzipiert hat. Er fordert die Zuhörer auf, den Blick zu weiten. Und erklärt, dass Technologie immer noch mit der richtigen Physik geschlagen werden kann. Zeilinger prognostiziert, dass eines Tages alle Informationstechnologie auch Quantentechnologie sein wird. "Nutzt eure Fantasie, denkt mal über Quantencomputerspiele für Kinder nach", sagt er. Und: "Hört nicht auf die Alten."

In einem Punkt sind sich alle einig, ob die Nachwuchswissenschaftlerin Gabriela Barreto Lemos, Brasilianerin, die bei Zeilinger in Wien studiert, oder Phillips wie auch Blatt: eine rein zweckgebundene Forschung wäre nicht gut. "Folgt eurer Neugier. Ihr könnt angewandte Wissenschaft nicht von Grundlagenwissenschaft trennen", sagt Phillips.

Wie das finanziert wird, das ist auch in Österreich eine Grundsatzfrage. Wie Zeilinger im Anschluss an das Science Breakfast sagt, leide das Land immer noch darunter, dass mit der Emigration in Zeiten des Nationalsozialismus viel Wissen verloren gegangen sei. "In einigen Fächern wie der Quantentechnologie oder der Biologie haben wir uns erholt, sodass wir vorne mitspielen können." Doch es sei eine neue schwierige Situation entstanden. "Wir haben Postdocs in einer Qualität und Breite, wie wir sie noch nie hatten, aber das Fördersystem zieht nicht mehr mit." Die Grundlagenforschung ist seiner Ansicht nach zu gering ausgestattet. "Das aber kann nur staatlich gefördert sein", betont der Akademiepräsident. Pro Jahr müsste die staatliche Förderung für die Grundlagenforschung um zehn Prozent steigen. "Nicht mehr, sonst wird nur Zweitklassiges gefördert."

Derzeit trägt die öffentliche Hand in Österreich gut ein Drittel der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nach Ansicht von Minister Mitterlehner müssten sich Unis und Forschungseinrichtungen um neue ergänzende Finanzierungsmöglichkeiten bemühen. Auch müsste die Umwandlung von der Idee zum Produkt stärker vorangetrieben werden. Österreich habe zwar fast die gleiche Forschungs- und Entwicklungsquote wie Deutschland, doch hätten die Deutschen eine wesentlich höhere Innovationsquote. Eines ist auch dem Minister klar: "Geld allein schafft keine Innovationen, daher müssen wir die vorhandenen Strukturen optimieren und den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft weiter stärken."

Gezielte Förderung, das wäre laut Akademiepräsident Zeilinger das Richtige. Wobei es ja immer wieder Überraschungen gibt, die auch in Lindau diese Woche diskutiert werden: "Es ist völlig unerwartet, dass jetzt so viel Geld in die Quantentechnologie gesteckt wird. Aber niemand kann momentan sagen, wie sie aussehen wird. Das gab es noch nie in der Geschichte." Viel Gesprächsstoff also.

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