Pannen beim Weltklimarat:Forscher fordern Pachauris Rücktritt

Experten verlangen einen größeren Abstand des Klimarats zur Politik und warnen vor einer Hängepartie - wenn Pachauri Vorsitzender bleibt.

Christopher Schrader

Nach einer Reihe von Fehlern des Weltklimarates üben prominente Klimaforscher Kritik am Aufbau des Gremiums und seinem Vorsitzenden Rajendra Pachauri.

Pachauri, Weltklimarat, afp

In der Kritik: der Weltklimarats-Vorsitzende Rajendra Pachauri.

(Foto: Foto: AFP)

Hartmut Graßl, ehemaliger Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, drängte den Inder, "reinen Tisch" zu machen. "Wenn Pachauri im Amt bleibt, bekommen wir eine Hängepartie, die dem Klimarat schadet", sagte Graßl der Frankfurter Rundschau.

Auch Hans von Storch vom GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht nannte den IPCC-Chef eine Belastung für den Klimarat, da er "Schlampereien" beim UN-Klimabericht 2007 zugelassen habe. Dass die Menschheit Verantwortung für den Klimawandel trägt, wie es der IPCC-Bericht beschreibt, steht für Graßl und von Storch außer Zweifel.

Im britischen Fachjournal Nature mahnen fünf prominente Klimaforscher und IPCC-Autoren Reformen an. Am weitesten in der Kritik geht John Christy von der University of Alabama. Er kennt sich mit Irrwegen der Klimaforschung aus, seit er nach langem Streit mit Kollegen einräumen musste, Satellitendaten falsch kalibriert zu haben.

Nun beklagt er, Leitautoren der Klimaberichte würden schlecht ausgewählt. "Sie stehen für eine verstörende Homogenität des Denkens", schreibt Christy. Der IPCC sei zur "Echokammer" verkommen, die nur eigene Ansichten verstärke.

Vorschlag: Klima-Wikipedia

Hingegen bekräftigt Thomas Stocker von der Universität Bern, Co-Vorsitzender der für harte Naturwissenschaft zuständigen Arbeitsgruppe1 des IPCC, der Weltklimarat habe bisher die Rolle eines ehrlichen Maklers erfüllt und das Spektrum der wissenschaftlichen Literatur abgebildet. Das Gremium müsse sich strikt auf "Wenn-Dann-Aussagen" beschränken, also allein mögliche Folgen von politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen aufzeigen.

Das passt zu Forderungen, die Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in einem Gastbeitrag in der FAZ äußert. Edenhofer ist Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe 3, die sich um technische und wirtschaftliche Aspekte von aktivem Klimaschutz kümmert.

Wissenschaftliche Politikberatung werde "gefährlich, wenn nur ein Weg exploriert und damit präjudiziert wird". Die Wissenschaft dürfe sich nicht dem Druck der Politik beugen, angebliche Sachzwänge zu beschreiben, die dann nur eine einzige Entscheidung zuließen.

Reformen sollen dem IPCC vor allem größere Unabhängigkeit verleihen, fordern andere Klimaforscher. John Christy schwebt eine Art Klima-Wikipedia vor, wo Forscher schreiben, die sich durch hochrangige Veröffentlichungen qualifiziert haben.

Eduardo Zorita, ebenfalls vom GKSS-Forschungszentrum, fordert in Nature für ein globales Klimaforschungsgremium einen Status, wie ihn zum Beispiel die Internationale Atomenergieagentur in Wien besitzt: Frei von direkter Mitsprache der Politik und mit genügend Autorität, Einflussversuchen auf Berichte zu widerstehen.

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