Ökosysteme:Gesunde Korallenriffe sterben zuerst

"Weißes Syndrom" wird die Seuche genannt, die Korallenriffe auf aller Welt angreift. Forscher haben nun herausgefunden, dass sie vor allem gesunde Korallen befällt - und dabei vom Klimawandel profitiert.

2600 Kilometer lang ist das "Great Barrier Reef" vor Australiens Ostküste - ein Ökosystem, das seinesgleichen sucht. Es beherbergt die am besten erhaltenen Korallenriffe der Welt.

Ökosysteme: Das Great Barrier Reef vor Australien ist von der Korallenbleiche betroffen

Das Great Barrier Reef vor Australien ist von der Korallenbleiche betroffen

(Foto: Foto: Reuters)

Doch der Temperaturanstieg in den Ozeanen setzt der bunten Idylle zu: Die Atolle und Riffe können nur in einem bestimmten Temperaturrahmen überleben. Bei über 26 Grad beginnen die Probleme: Dann versuchen die Korallen, die Algen, die auf ihnen leben, loszuwerden. Diese versorgen allerdings ihren Wirt mit Nährstoffen und sorgen für die Farbenpracht eines Korallenriffs. sind sie weg, erblasst das Riff - es kommt zur sogenannten Korallenblässe.

Langfristig verhungern die Korallen, weil sie sich selbst nur schlecht mit Nahrung versorgen können. Ist der Temperaturanstieg nur kurzfristig, kann ein Riff die Algen wieder aufnehmen und erholt sich.

Allerdings hat nun eine Forschergruppe der University of North Carolina festgestellt, dass bereits eine Erwärmung von kurzer Dauer das Immunsystem der Korallenriffe bedeutend schwächt. Für ihre Studie, die auf der Internetseite der Public Library of Science erschienen ist, hatten die Wissenschaftler über sechs Jahre hinweg 48 Riffe auf einer Länge von 1500 Kilometern entlang des Great Barrier Reef untersucht.

Nach dem besonders heißen Sommer 2002 erkrankten ihrer Studie zufolge zwanzig Mal mehr Korallenriffe als üblich an dem sogenannten Weißen Syndrom. Bei diesem greifen Bakterien die Riffe an und fressen sie buchstäblich auf - am Ende bleibt nur ein weißes Kalkgerüst zurück. Die Seuche traf allerdings nicht die krankheitsanfälligen, sondern vor allem die gesündesten Riffe.

Die Wissenschaftler folgern aus ihren Erkenntnissen, dass gerade ihre Beliebtheit den Riffen zum Verhängnis wird: Denn obwohl sie innerlich geschwächt sind, locken die scheinbar gesunden Riffe viele Algen und Kleinstlebewesen an - diese jedoch haben auch Krankheitserreger wie die Bakterien des "Weißen Syndrom" im Gepäck.

Ähnlich wie sich Seuchen auch beim Menschen in Ballungsgebieten schnell ausbreiten, begünstigt hier die große Population den Befall. Schließlich lässt die Masse der Bakterien das Immunsystem kollabieren, die Korallenriffe sterben ab.

"Immer mehr Krankheiten infizieren immer mehr Korallenriffe jedes Jahr", sagt der Mitautor der Studie, John Bruno, "dadurch verlieren wir sowohl die Korallen, als auch andere wichtige Arten, die von ihnen abhängig sind."

Bruno sieht auch einen Zusammenhang mit dem Klimawandel. "Wir haben den Klimawandel schon seit langem in Verdacht, den Ausbruch von Krankheiten im Meer zu begünstigen. Unsere Resultate zeigen, dass wärmere Temperaturen die Durchschlagskraft von Krankheiten im Ozean erhöht."

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