Ökologie:Wie Ratten ihre Ausrottung auf Henderson Island überlebten

Pacific rats (Rattus exulans) trapped in drum, Henderson Island, South Pacific

Die Ratten von Henderson Island: Seit dem Jahr 2011 haben sie sich offenbar auf das Tausendfache vermehrt.

(Foto: Oxford Scientific/Getty Images)

2011 überstanden einige Dutzend Nager einen Tötungsversuch - zu viele. Heute haben sie die Pazifikinsel fest im Griff.

Von Marlene Weiß

Es klang so optimistisch und entschlossen, als die Royal Society for the Protection of Birds den entscheidenden Angriff auf die Ratten von Henderson Island ankündigte. Man sei entzückt mitzuteilen, dass die weltweit führende Operation in diesem August stattfinden werde, hieß es im Juni 2011 im Newsletter der britischen Vogelschutzorganisation. Die Welterbestätte werde wiederhergestellt, die seltenen Vogelarten - denen Ratten die Küken stehlen - würden bald einen Boom erleben. Ohne eine Spur des Zweifels; man hatte ja an alles gedacht. Nur nicht an die außerordentliche Widerstandsfähigkeit der Ratten.

Zunächst schien alles nach Plan zu laufen. Zwei Helikopter verteilten in zwei Runden 75 Tonnen Giftköder auf der unbewohnten Pazifikinsel, die zu den britischen Überseegebieten gehört. Wissenschaftler hatten das Projekt geprüft und nur für eine Vogelart, die Henderson-Ralle, eine Gefahr erkannt. Sicherheitshalber wurden einige Henderson-Rallen für die Dauer der Operation eingefangen. In den ersten drei Monaten nach der Ausrottungsaktion schien Henderson tatsächlich rattenfrei zu sein, erstmals, seit die Nager vor etwa 800 Jahren mit polynesischen Seefahrern auf die Insel kamen. Aber dann, im März 2012, sichtete ein Besucher ein einziges Exemplar. Und wenig später war alles beim Alten, 50 000 bis 100 000 Ratten hatten die Insel im Griff. Damit war die Hoffnung auf eine schnelle Erholung der Henderson-Sturmvögel dahin.

Zoologen um Michael Brooke von der University of Cambridge haben nun untersucht, warum die technisch überlegenen Vogelschützer die Schlacht gegen die Ratten verloren haben (Royal Society Open Science). Das Ergebnis der genetischen Analyse von Henderson-Ratten ist aus Artenschutz-Sicht frustrierend: Die Ratten waren nicht etwa unempfindlich gegen das Gift, sie wurden auch nicht neu eingeschleppt. Um ein Haar wäre es sogar gelungen, Henderson auf lange Sicht von ihnen zu befreien: Nur 60 bis 80 Ratten haben die Giftaktion überlebt, gerade einmal jede Tausendste. Das waren aber zu viele.

Die Ratten einfach auf Dauer zu akzeptieren, sei keine gute Lösung

"Es ist sehr traurig, wenn ein Ausrottungsversuch scheitert, weil es viel Geld und Mühe kostet", sagt Marten Winter, Ökologe am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig. "Dann kann man nichts anderes tun, als es noch mal zu versuchen, und gegebenenfalls die Methodik anzupassen." Die Präsenz der Ratten einfach auf Dauer zu akzeptieren, sei keine gute Lösung. Jedenfalls nicht auf Pazifikinseln mit diversen Vogelarten, die nur dort leben und durch die Ratten in ihrer Existenz bedroht sind.

Aber auch hochprofessionelle Nager-Bekämpfungen scheitern regelmäßig. Von 840 abgeschlossenen Ausrottungsversuchen auf knapp 700 Inseln seit 1925 waren laut der Datenbank Diise (Database of Island Invasice Species Eradications) nur etwa 86 Prozent erfolgreich. Im Jahr 2014 analysierten Forscher 216 solche Angriffe auf invasive Nager: Demnach sind die Chancen auf Inseln mit Durchschnittstemperaturen unter 24 Grad und ohne Landwirtschaft etwas höher. Negativ wirken sich Einsiedlerkrebse aus, weil sie die Köder fressen, und Kokospalmen, in deren Gipfeln Ratten dauerhaft leben können, ohne je einen Giftköder zu sehen zu bekommen. Das sind schlechte Nachrichten für einen neuen Versuch auf Henderson Island: Dort gibt es sowohl das eine als auch das andere in Hülle und Fülle.

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