Ökologie:Das Gift im Leseraum

Glyphosat

Fluch oder Segen? Glyphosat.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Glyphosat-Hersteller zeigen sich volksnah und machen in Brüssel bislang geheime Studien zu dem Pflanzengift öffentlich. Endlich, könnte man meinen. Doch Transparenz sieht anders aus.

Kommentar von Hanno Charisius

Hersteller des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat wollen Studien offen legen, die sie bislang unter Verschluss gehalten haben. Am Mittwoch eröffneten sie dafür einen Leseraum in Brüssel. Dort können Interessierte die bislang nur den Zulassungsbehörden zugänglichen Untersuchungen einsehen, nach vorheriger Anmeldung über eine Webseite. Noch ein Leseraum also. Ein Konstrukt, das zum Symbol der Intransparenz geworden ist, seit ehemals geheime Dokumente über das Freihandelskommen TTIP auf gleichem Wege präsentiert wurden.

Diesmal geht es um 71 Studien, die sich mit der Frage beschäftigen, ob Glyphosat Krebs auslösen kann oder dem ungeborenen Leben schadet. Doch wird die Lektüre den Besuchern von Beginn an schwer gemacht. Die Texte können sie nur auf Computerbildschirmen lesen. Zum Teil sind sogar Informationen geschwärzt, alles gemäß den Richtlinien der EU, wie es in den Informationen zum Leseraum heißt. Die gestrichenen Stellen beträfen vor allem Namensangaben von beteiligten Wissenschaftlern, insbesondere solchen, die an Tierversuchen beteiligt waren, versichern die Hersteller.

Das Vertrauen der Verbraucher gewinnt man mit solchen Maßnahmen sicher nicht

Kameras, Mobiltelefone, Aufnahmegeräte und Datenträger sind verboten. Nur Papier und Stift darf der Besucher in das von Kameras und Sicherheitspersonal bewachte Studierzimmer nehmen. Bis zum 31. Oktober soll der Leseraum geöffnet bleiben. Auch diese kurze Frist zeigt, wie wenig ernst es den Glyphosat-Herstellern mit der Transparenz ist. Denn so eine Studie kann leicht 500 Seiten umfassen. Ein Profi muss zwar nicht alles lesen, um an die wichtigsten Informationen zu kommen, aber für 71 Studien ist das trotzdem wenig Zeit, es sei denn, man möchte sich gleich zwei Monate mit den Dokumenten einschließen.

Mit diesen Maßnahmen wollen die Hersteller, die sich in Europa zur Glyphosat Task Force zusammengeschlossen haben, ihre Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Produzenten sichern, sagen sie. Das ist einerseits nachvollziehbar. Die Studien sind Eigentum der beteiligten Unternehmen und bergen Geschäftsgeheimnisse. Andererseits können die Hersteller ihr gemeinsames Ziel, Glyphosat zu vermarkten, nur erreichen, wenn sie die Öffentlichkeit von der Sicherheit der Substanz überzeugen. Der Lesesaal in Brüssel ist dazu nicht geeignet.

Streng reglementierte Leseräume verstärken nur die Zweifel - das war bei den TTIP-Dokumenten so und wird bei Glyphosat nicht anders sein. Wer Vertrauen gewinnen möchte, der muss vielleicht auch mal auf manche seiner Rechte verzichten und zur Not auch auf ein paar Prozent vom Umsatz.

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