Ökologie:Blutende Bäume

In Großbritannien findet derzeit ein Kettensägenmassaker statt. Grund ist ein pilzähnlicher Erreger, der die Lärchen reihenweise sterben lässt. Etwa drei Millionen Bäume werden bis Ende dieses Jahres gerodet.

Hubertus Breuer

Der Anblick in vielen Wäldern Großbritanniens ist deprimierend. Wo noch vor einem Jahr Lärchenwälder standen, sind ganze Hügel kahlgeschoren. Baumfällmaschinen fräsen sich durch die Bestände, es sieht aus wie auf Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs.

Phytophthora ramorum

Der pilzähnliche Erreger Phytophthora ramorum hat viele japanische Lärchen in Großbritannien befallen.

(Foto: FC Picture Library)

1,4 Millionen Japanische Lärchen - deren Wälder von Wanderern geschätzt werden und gutes Nutzholz liefern - sind bereits gerodet; an die drei Millionen Bäume werden es wohl bis Ende dieses Jahres sein.

Der Grund für das Kettensägenmassaker ist ein pilzähnlicher Erreger namens Phytophthora ramorum. Er greift die Bäume seit zwei Jahren an. Vor allem in Südwestengland und Wales, aber auch in Irland und vereinzelt in Schottland sterben Lärchen reihenweise. Die Triebe färben sich braun, die Blätter fallen ab, Äste verdorren, auf der Rinde bilden sich Teerflecken, aus denen bisweilen dunkelroter Schleim austritt. Wenig später stirbt der Baum. In Großbritannien fürchtet man eine ähnliche Epidemie wie die Ulmenwelke, die in den 1970er Jahren mehr als 20 Millionen Bäume vernichtete.

Der Pflanzenkiller ist in Großbritannien erstmals vor neun Jahren entdeckt worden. Damals griff er vor allem Buschwerk wie Rhododendren an. 2009 sprang er auf Blaubeersträucher und die Japanische Lärche über und begann in Windeseile mit seinem Werk der Verwüstung. Es ist möglich, dass er sich in der Zwischenzeit genetisch verändert hat, doch mit Gewissheit steht das nicht fest. Bekannt ist, dass feuchtes Klima die Pilzsporen begünstigt, die sich über Regen, Nebeltröpfchen und Bäche, aber auch über dreckige Wanderschuhe und Erde an Fahrrädern ausbreiten.

Der Erreger mag offenbar feuchtes, mildes Klima, weshalb die britische Süd- und Westküste mehr betroffen zu sein scheint als der vergleichsweise trockene Osten der Insel. Einmal auf einer geeigneten Wirtspflanze gelandet, greift er das Gewebe unter der Rinde, junge Triebe und Blätter an. Ein Gegenmittel ist bislang nicht bekannt. Die Waldbesitzer sind gezwungen, die Bäume zu fällen und das Gelände danach für fünf Jahre unter Quarantäne zu stellen. So lange dauert es, bis der Erreger im Boden nicht mehr nachweisbar ist.

Es ist nicht das erste Zerstörungswerk dieses Schadorganismus. Phytophthora ramorum hat seit Mitte der 1990er Jahre in den nebeligen Küstenwäldern Kaliforniens bereits Abertausende Eichen zerstört. Oft dauerte es nur wenige Monate, bis ein befallener Baum abgestorben war. Deshalb hat man den Erreger dort "Sudden Oak Death" getauft - Plötzlicher Eichentod. Doch wie genetische Untersuchungen ergeben haben, gehören der Erreger in Kalifornien und der in Europa zwar derselben Art an, zählen aber zu unterschiedlichen Linien.

In Großbritannien sind bislang auch nur fünf Eichen aktenkundig, die der Erreger befallen hat. Stattdessen vermuten Experten einen asiatischen Ursprung, denn viele Pflanzen, die er angreift, stammen aus dem Fernen Osten. Ermöglicht haben könnte das der globale Pflanzenhandel; in England wurde die Pflanzenkrankheit erstmals vor neun Jahren in einem Gartencenter in Sussex bei einem Schneeballstrauch entdeckt.

Auf dem europäischen Festland ist die Krankheit bislang nur bei Ziersträuchern wie Rhododendron, Schneeball, Lavendelheide, Kamelien und an einigen wenigen Eichen identifiziert worden - in Deutschland erstmals in den 1990er Jahren. Sabine Werres vom Julius-KühnInstitut in Braunschweig, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, sagt: "Auf dem europäischen Festland ist der Erreger zurzeit nicht gefährlicher als viele andere Phytophthora-Arten. Er kommt überwiegend in der Anzucht vor und verursacht dort bisher keine großen Schäden.

Die Entwicklungen in Kalifornien und Großbritannien zeigen aber, dass sich die Situation schnell ändern kann." Eine andere Phytophthora-Art, die auf Erlen spezialisiert ist, bereitet ihr deutlich mehr Sorgen: "Entlang den Bach- und Flussläufen hat sie zu einem massiven Sterben der Erlen geführt, und das gefährdet auf Dauer die Uferstabilität."

Natürlich müsse darauf geachtet werden, dass grundsätzlich kein befallenes Pflanzenmaterial in den Handel gelangt, betont Werres. Die Europäische Union hat deshalb bereits 2002 den Handel mit von dem Ramorum-Erreger gefährdeten Pflanzen beschränkt.

In Großbritannien versucht man unterdessen, das Schlimmste zu verhindern. Die Royal Botanic Gardens, Kew, im Südwesten Londons, die unter anderem für ihre besonders alten Rhododendrengewächse bekannt sind, überlegen sich, die Schuhe aller Besucher zu desinfizieren, bevor diese das Parkgelände betreten.

Im Frühjahr, wenn die Lärchen wieder treiben, werden zudem Hubschrauber über den britischen Wäldern kreisen, um die Baumkronen der Lärchen zu inspizieren, denn die trifft es meist zuerst. "Wir werden diese Krankheit nicht ausrotten. Wir können nur versuchen, sie so weit wie möglich einzudämmen", sagt Roddie Burgess, der bei der britischen Forstbehörde in Edinburgh für Pflanzenschutz zuständig ist.

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