Nobelpreisträger Eric Betzig:"Ich wollte ursprünglich Astronaut werden"

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Der Amerikaner Eric Betzig wurde in München vom Nobelpreis überrascht. Was geht einem in so einem Moment durch den Kopf? Natürlich die Arbeit.

Von Alexander Stirn

Eigentlich würde Eric Betzig viel lieber einen Vortrag halten. Über die "Abbildung von Leben bei großen räumlichen und zeitlichen Auflösungen". Doch nun steht er vor dem Hörsaal des Helmholtz-Zentrums in München, in der linken Hand ein Glas Prosecco, in der rechten ein Blumenstrauß, und beantwortet zum dritten Mal die Frage, wie das heute Vormittag so war. Da hat der amerikanische Physiker einen Anruf aus Schweden bekommen, und kurze Zeit hatte sich alles verändert. Betzig war Chemienobelpreisträger. Und der Vortrag, den er auf einer kleinen Fachkonferenz im Norden Münchens halten sollte, war plötzlich weit weg.

"Etwas gezittert" habe er, als gegen 11.30 Uhr plötzlich eine europäische Nummer auf dem Display seines Handys auftauchte. Das Komitee aus Schweden hatte es zu dem Zeitpunkt, so erzählt der frischgebackene Preisträger, bereits bei seiner Ex-Frau probiert, dort den Sohn erwischt und von ihm schließlich die Handynummer erfahren.

"Meine erste Reaktion war: Oh, shit!", sagt Betzig. Auch am Nachmittag, bei der spontan organisierten Stehparty vor dem Hörsaal, wirkt er etwas fassungslos. "Es fühlt sich noch immer an, als würde ich träumen, als wäre das alles nicht real."

"Wissenschaftler sollten nicht nach ihren Auszeichnungen beurteilt werden"

Was er mit dem Preisgeld machen will, immerhin ein Drittel von 880 000 Euro, weiß der 54-Jährige nicht. "Das Geld ist mir egal", sagt Betzig. "Es geht beim Nobelpreis nicht um das Geld, es geht um die Ehre, um die Anerkennung."

Am Donnerstag soll es schon wieder zurück in die USA gehen, am Freitag hat die zweijährige Tochter Geburtstag, dann wird richtig gefeiert. Was danach kommt, macht Betzig "zu 50 Prozent Angst", wie er in München sagt: "Ich will nicht, dass sich mein Leben ändert. Genau jetzt sollte ich einen Vortrag halten, doch ich stehe hier mit Sekt und Blumen und gebe Interviews. Das ist schon ein bisschen beängstigend."

Betzig ist niemand, der das Rampenlicht sucht. Zumindest jetzt nicht mehr. Früher war das noch anders. "Ich wollte ursprünglich Astronaut werden", erinnert er sich. "Ich bin mit dem ,Apollo'-Programm aufgewachsen, doch mein Timing war schlecht. Als ich groß genug war, war der große Schwung in der Raumfahrt schon vorbei." Betzig wurde Physiker, fühlt sich aber, wie er sagt, als Ingenieur.

Etwas gefeiert werden soll an diesem Mittwoch dann doch noch, abends, im Biergarten. Doch zuvor kommt - endlich - der Vortrag im Helmholtz-Zentrum. Es wird genau der gleiche hochwissenschaftliche Beitrag, den Betzig geplant hatte. Nur die Ovationen beim Einzug sind ungewöhnlich, die Begleitung von vier Kamerateams, der stürmische Applaus - und seine beiden einleitenden Sätze: "Eigentlich bin ich jemand, der gegen solche Preise ist. Wissenschaftler sollte nicht nach ihren Auszeichnungen beurteilt werden, sondern nach ihren Leistungen", sagt Betzig und macht eine kurze Pause. "Gut, das lässt sich jetzt natürlich leicht sagen." Er schmunzelt - und beginnt mit seinem Vortrag.

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