Nicht nur im Saarland:Beben durch den Bergbau

Erst bebte der Boden, dann beschädigte eine Erschütterung zahlreiche Gebäude. Wie im Saarland löst der Bergbau in vielen Teilen der Welt immer wieder zerstörerische Erdbeben aus.

Axel Bojanowski

Die vergangenen Wochen müssen den Saarländern im Nachhinein vorkommen wie der Trommelwirbel vor dem zerstörerischen Finale. Mehrfach wurde der Erdboden der Region heftig erschüttert.

Nicht nur im Saarland: Bei dem Erdbeben im Saarland wurde die Kirche in Saarwellingen beschädigt.

Bei dem Erdbeben im Saarland wurde die Kirche in Saarwellingen beschädigt.

(Foto: Foto: ddp)

Zwei- bis dreimal pro Woche wackelte der Boden rund um Saarlouis, berichtet das Geologische Landesamt in Mainz. Am Samstag gab es nun einen heftigen Schlag: Der unterirdische Abbau von Kohle hatte ein Erdbeben ausgelöst. Die Erschütterungen der Stärke 4 haben zahlreiche Gebäude beschädigt; Menschen liefen erschrocken ins Freie.

Seit Jahren protestieren Anwohner in der Umgebung von Saarlouis wegen regelmäßiger leichter Erdbeben gegen den Bergbau. Das Beben vom Samstag - es war das bislang stärkste im Saarland - könnte nun das Ende der dortigen Kohle-Industrie bedeuten. Der Abbau wurde eingestellt, Politiker fordern die Stilllegung der Stollen.

Vollkommen überraschend kam das Beben allerdings nicht. Bergbau löst regelmäßig Erdstöße aus, Geoforscher sprechen in Anspielung auf den Treibhauseffekt bereits plakativ von "geomechanischer Verschmutzung".

Ursache von Erdbeben ist normalerweise die Plattentektonik. Doch nach den Erschütterungen im Saarland erkannten die Seismologen sofort, dass das Beben keine natürliche Ursache hatte. Es wurde in nur ein Kilometer Tiefe ausgelöst, dort wo die Kohleminen liegen. Weil der Bebenherd also ziemlich flach lag, waren die Erschütterungen an der Oberfläche auch besonders deutlich zu spüren.

"Ein ganz ungewöhnlich heftiges Ereignis war das", sagt der Geophysiker Klaus Lehmann vom Geologischen Dienst in Nordrhein-Westfalen. Hohlräume im Boden, die beim Kohleabbau entstehen, seien eingestürzt.

Wird der Kohleabbau nun gestoppt, bleibt die Gefahr, dass bereits vorhandenen Stollen einstürzen, daher bestehen. Dennoch erwartet der Seismologe Thomas Meier von der Universität Bochum, dass die Erdstöße seltener werden.

Die meisten Beben entstünden unmittelbar nach dem Ausschachten des Bodens, wenn sich das Gestein an die neuen Spannungsverhältnisse im Untergrund anpasse. An Wochentagen würden daher in Bergbaugebieten weitaus mehr Beben gemessen als feiertags.

Risiko im Saarland größer als im Ruhrgebiet

Das Erdstoß-Risiko im Saarland ist größer als beispielsweise im Ruhrgebiet, wo ebenfalls Kohle abgebaut wird. Der Untergrund des Saarlandes besteht aus anderen Gesteinen, die Spannungen weniger gut abfedern können. Einstürze lösen mithin heftigere Erschütterungen aus. Im Ruhrgebiet habe der Kohle-Bergbau noch kein Beben der Stärke 4 ausgelöst, berichtet Thomas Meier.

Doch auch im Ruhrgebiet protestieren seit langem Bürgerinitiativen gegen die Erschütterungen, die die Kohleförderung auslöst. Mehrmals pro Woche zittert dort der Boden. Manche Regionen werden regelmäßig von deutlich spürbaren Beben in Schwingung versetzt. Bei Moers beispielsweise hat es seit Dezember 2007 drei Beben der Stärke 3 gegeben.

Der Untergrund von Ruhrgebiet und Saarland ist inzwischen löchrig wie ein Schweizer Käse, weil seit Jahrhunderten Kohle aus dem Untergrund gewonnen wird. Tausende Kilometer Hohlräume hinterließen die Kumpel, die Lage vieler dieser Tunnel ist heute unbekannt. Manche Gebiete haben sich weiträumig um bis zu 30 Meter abgesenkt. Anderswo passt sich der Boden schneller an den durchlöcherten Untergrund an - er stürzt ein.

Beben durch den Bergbau

Dutzende solcher Bergschäden werden im Ruhrgebiet jährlich registriert. Nicht immer bleibt es bei unterirdischen Ereignissen: Zuweilen rutschen auch Häuser in Löcher, die über Bergstollen aufklaffen. Die Erschütterungen solcher "Tagesbrüche" sind indes nur in der Nachbarschaft zu spüren.

Eines der schwersten Erdbeben, die weltweit vom Bergbau ausgelöst wurden, ereignete sich am 13. März 1989 in Thüringen. Der Zusammensturz einer Kalisalz-Mine löste ein Starkbeben der Stärke 5,6 aus und beschädigte die Ortschaft Völkershausen. Dort mussten fast alle historischen Gebäude abgerissen werden. Auch politische Folgen gab es, weil die schon in Bedrängnis geratene DDR-Führung den Westen für eigene Fehler verantwortlich machen wollte.

13 Tote in Australien

Beben dieser Stärke sind möglich, wenn der Untergrund von langen Rissen, so genannten "Störungen", durchzogen wird. Entlang großer Schwächezone im Gestein bedarf es zuweilen nur einer geringen Druckänderung, um ein Starkbeben auszulösen.

So geschah es im Dezember 1989 nahe der australischen Stadt Newcastle. Ein Beben in einer Kohlemine ließ Hunderte Häuser einstürzen. Bei dem Schlag der Stärke 5,6 starben 13 Menschen, 165 weitere wurden verletzt. Die Schäden beliefen sich auf 3,5 Milliarden US-Dollar.

"Die Kosten waren höher als die Einnahmen durch die Mine seit ihrer Eröffnung 1799", berichtet der Geophysiker Christian Klose von der Columbia University in Palisades, USA. Trotz der Kritik von Wissenschaftlern wies die Bergbaufirma damals die Verantwortung zurück; das Beben habe natürliche Ursachen, behaupteten ihre Manager.

Eine ähnliche Katastrophe droht womöglich der nordschwedischen Stadt Kiruna mit 25.000 Einwohnern. Eisenerz-Stollen nahe der Stadt werden immer weiter ausgebaut, die Stadt droht Experten zufolge einzustürzen. Sie solle deshalb komplett abgerissen und an anderer Stelle neu aufgebaut werden.

Auch in Polen warnen Geologen vor einem Desaster: Der Kupferabbau nahe der Stadt Polkowice ließ mehrmals spürbar den Boden erzittern. Nun soll die Mine auch noch erweitert werden - 500 Meter neben einem Staudamm. "Der Damm droht zu brechen", erklärte der Krakauer Geologe Stanislaw Lasocki.

Doch Bevölkerung und Politiker verhalten sich gegenüber drohenden Naturgefahren erfahrungsgemäß wenig vorausschauend. Meist wird die Gefahr erst erkannt, nachdem es gebebt hat - wie jetzt im Saarland.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: