Neue Keime im Ozean:Katzenkrankheit unter Meeresbewohnern

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Meerestiere stecken sich zunehmend mit Krankheiten an, die es früher nur auf dem Land gab. Die Erreger stammen von Menschen oder Haustieren - und können unter Meeressäugern ungeahnte Entwicklungen nehmen.

Christina Berndt

Der Mensch verschmutzt das Meer. Das ist ein altes Problem. In jüngerer Zeit aber bringt die Zivilisation neues Unglück über die Bewohner der Ozeane. Die Tiere bekommen Krankheiten, die es früher nur auf dem Land gab. Das berichteten Tiermediziner während der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS) in Vancouver.

Selbst Krankenhauskeime hat man schon unter Meeressäugern gefunden. (Foto: dpa)

An die 5000 Meeressäuger wurden in den vergangenen 15 Jahren tot an den nordwestlichen Küsten Kanadas und der USA angespült und untersucht, darunter Wale, Delfine, Seelöwen und Seeotter. "Fast 40 Prozent dieser marinen Säugetiere sind an Infektionskrankheiten zugrunde gegangen", sagt Stephen Raverty, ein Veterinärpathologe am Landwirtschaftsministerium von British Columbia. "Und das Schlimme ist: Es sind Krankheiten, die bisher nur den Menschen, seine Haustiere oder Nutztiere befallen haben."

So wurden schon Seehunde mit dem Krankenhauskeim Clostridium difficile und mit antibiotikaresistenten Coli-Bakterien entdeckt. Der Erreger des bei Wiederkäuern vorkommenden Q-Fiebers, Coxiella burnetii, macht sich unter Seehunden, Schweinswalen und Seelöwen breit ( Journal of Wildlife Diseases, Bd. 48, S. 201, 2012). "Dieses Pathogen kann auch dem Menschen gefährlich werden", warnt Raverty. Eine bessere Überwachung sei nötig - um Schaden für die Meerestiere und den Menschen als Konsumenten mariner Nahrung abzuwenden.

Meeressäuger sind so etwas wie die Kanarienvögel in einer Kohlemine", sagte Andrew Trites von der University of British Columbia. "Wenn wir auf sie hören, können sie uns rechtzeitig vor unangenehmen Entwicklungen warnen." Aus diesem Grund hat sich Melissa Miller von der Abteilung "Fisch und Wild" der kalifornischen Regierung auf den Gesundheitszustand kalifornischer Seeotter spezialisiert. Die Tiere könnten ein besonders gutes Frühwarnsystem sein, weil sie bevorzugt in Buchten leben, dort also, wo das Land ins Meer übergeht.

Toxoplasmose unter Seeottern

Jeder siebte Seeotter stirbt inzwischen an Toxoplasmose, stellte Miller dabei fest. Auch diese Krankheit gab es bisher nur auf dem Land. Dort tragen viele Katzen den Parasiten Toxoplasma gondii in sich, ohne dass sie darunter leiden. Auch 25 Prozent der Menschen in katzenfreundlichen Industrieländern stecken sich an, was nur problematisch ist, wenn es während der Schwangerschaft passiert. Bei den Seeottern aber führen Toxoplasmen zu einer tödlichen Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten. Zudem sind sie im Meer zu einer aggressiveren Variante namens "Typ X" mutiert, die dem Gehirn der Meeressäuger noch stärker zusetzt als die gängige Toxoplasmose.

Wir haben uns lange gefragt, wie eine Katzenkrankheit ins Meer kommt", erzählte Miller. Dann sammelte eine Kollegin Katzenkot am Strand: "Es kamen unglaubliche Mengen zusammen." Offenbar wird der Erreger mit dem Kot ins Meer gespült. Muscheln als Leibspeise des Seeotters tragen ihr Übriges bei. Denn die Wasserfiltrierer reichern alle möglichen Gifte und Keime an, auch Toxoplasmen, wie inzwischen nachgewiesen wurde. Seit 100 Jahren steht der kalifornische Seeotter nun unter Naturschutz, doch die Population will sich nicht so recht erholen. "Daran", so Miller, "haben durch die menschliche Zivilisation verbreitete Erreger offenbar einen hohen Anteil."

© SZ vom 22.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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