Nanotechnologie:Die Wirtschaftskraft des Winzigen

Auch wenn sie es meist nicht wissen: Verbraucher begegnen Nanoprodukten bereits jetzt in jedem Supermarkt. Am häufigsten finden sich die winzigen Partikel in Produkten aus dem Bereich Fitness und Gesundheit.

Marlene Weiss

Wo, wo ist es nur, dieses Nano? Sehen kann man die winzigen Partikel zwar nicht, kaufen dagegen schon, in jedem Supermarkt. Fast alle großen Hersteller von Kosmetika und Sonnencremes verwenden Zinkoxid oder Titandioxid in Nanopartikeln als Schutz gegen UV-Strahlen. Sonnencremes ohne Nanoteilchen sind nur noch ein Nischenprodukt, sogar die Naturkosmetik-Firma Weleda arbeitet mit Nano-UV-Schutz.

Nanotechnologie

Zahnpasta mit Nanosilber, erworben von Wissenschaftlern des "Projekts für aufkommende Nanotechnologien" in einem Geschäft in Washington, DC.

(Foto: Alex Parlini, Project on Emerging Nanotechnologies)

Dann sind da die Lebensmittelverpackungen: Viele PET-Flaschen und Folien enthalten Nanopartikel, die die Materialien weniger durchlässig für Gase oder UV-Strahlung machen. Ein paar Regale weiter stehen Ketchup und Gewürzmischungen, zum Teil mit den schon seit langem zugelassenen Zusatzstoffen E551 und E530 als Trennmittel und Säureregulator. Das sind zwar keine spezifischen Nanotechnologie-Produkte, aber bei der Herstellung beider Zusätze entstehen auch Partikel in Nanometergröße.

Insgesamt 1317 Nanotechnologie-Produkte von 587 Herstellern, die Verbraucher bereits kaufen können, hat das "Projekt für aufkommende Nanotechnologien" des Woodrow Wilson Centers in Washington ausfindig gemacht. Im März 2006, als das Verzeichnis startete, waren es nur 212 Produkte.

Diese Zahlen beziehen sich auf den amerikanischen Einzelhandel, aber in Deutschland dürfte die Situation nicht grundlegend anders sein. "Am Anfang hatten die USA einen großen Vorsprung, aber Europa und Asien holen auf", sagt Todd Kuiken, einer der am Projekt beteiligten Wissenschaftler.

Die große Mehrheit der Produkte entfällt auf den Bereich "Gesundheit und Fitness", dazu gehört neben Sonnencreme und Kosmetika vor allem mit Silberpartikeln in Nanogröße präparierte Sportkleidung. Das Silber wirkt antibakteriell, es soll verhindern, dass Bakterien in der Kleidung den Schweiß zersetzen - erst dabei entsteht nämlich der Geruch.

Vollständig ist die Liste allerdings wohl kaum. "Wir suchen nur online und auf Englisch, viele Produkte entgehen uns", sagt Kuiken. Zumal das Register nur Konsumgüter zählt, deren Eigenschaften sehr spezifisch durch Nanotechnologie bestimmt werden. Das Auto, in dem bei Lack, Batterie oder Katalysator Nanomaterialien schon fast standardmäßig verwendet werden, kommt nicht vor, und das mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen verstärkte Windrad erst recht nicht.

Nano und Nano-ermöglicht

Ein Überblick über die Branche ergibt sich so nicht. "Am besten betrachtet man die Nano-Wertschöpfungskette" sagt dazu Ross Kozarsky, Chefanalyst für Moderne Werkstoffe bei dem US-Beratungsunternehmen Lux Research. Das heißt: Man unterscheidet zwischen reinen Nano-Materialien, Nano-Zwischenstufen wie speziellen Filtern oder Chemikalien, und schließlich Nano-ermöglichten Endprodukten, etwa Fahrzeugen.

Da zeigen sich klare regionale Unterschiede. Obwohl BASF, Bayer Material Science und Evonik, also drei der fünf größten Hersteller von Nanomaterialien, ihren Sitz in Deutschland haben, entfällt auf die USA ein Marktanteil von 45 Prozent, auf die EU dagegen nur etwas mehr als 20 Prozent. Nach Auffassung von Lux Research wird sich das nicht so bald ändern.

Anders sieht es bei den Zwischenstufen aus: "Die sind wichtig, weil die Gewinnmarge mit zwölf Prozent fast doppelt so hoch ist wie bei den beiden anderen Klassen", sagt Kozarsky. Bislang lägen die USA auch dabei vor Europa und das wiederum vor Asien, doch bis 2015 soll sich das umkehren: Dann könnte Asien den Rest der Welt weit hinter sich lassen. Und schließlich gibt es Nano-ermöglichte Produkte. Auf diesem Gebiet wird Europa die USA wohl bald überflügeln, mutmaßt Kozarsky.

Das Marktvolumen ist naturgemäß bei den Nano-ermöglichten Produkten mit Abstand am größten. Es wird derzeit weltweit auf etwa 170 Milliarden Euro geschätzt, soll jedoch bis 2015 auf 1,3 Billionen anwachsen. Dagegen nehmen sich die Nano-Zwischenstufen, die es bis dahin auf 328 Milliarden Euro bringen sollen, nahezu bescheiden aus - auch wenn das immerhin einem mittleren jährlichen Wachstum von gut 60 Prozent entspricht.

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