Nachhaltigkeits-Siegel:Urwaldkiller Palmöl

Palmöl Felda Börsengang Deutsche Bank

Herausgerissen aus dem Urwald: Wo die Wälder bereits geplündert sind, entstehen Holz- und Ölplantagen.

(Foto: dpa)
  • Für den Anbau von Ölpalmen wird hektarweise Urwald gerodet, in Asien bereits mehr als 80 Prozent. Palmöl ist vielseitig einsetzbar, etwa in Biosprit, Lebensmitteln und Kosmetika.
  • In der EU muss Palmöl künftig auf Verpackungen deklariert werden. Bisher reichte der Vermerk "pflanzliche Fette".
  • Nachhaltigkeits-Siegel sollen den Raubbau eindämmen. Umweltorganisationen befürchten, dass sie von Konzernen als "Greenwashing"-Methode missbraucht werden könnten.

Von Arne Perras, Teluk Intan

Ohne den sanften Riesen an seiner Seite wäre Irwan verloren. Brav zieht der Wasserbüffel den Karren mit den Palmölfrüchten. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Nur noch wenige Meter, dann haben sie die Waggons erreicht, auf denen die Ernte zur weiteren Verarbeitung abtransportiert wird. Schweißtreibender Alltag in Teluk Intan, einer malaysischen Großplantage: 56 Millionen Tonnen Palmöl gelangen jährlich auf den Weltmarkt. Man macht daraus Biosprit, Lebensmittel, Kosmetika. Über Fluch und Segen dieses Geschäfts wird seit Langem gestritten. Umweltschützer machen die Monokulturen für die Zerstörung der Regenwälder verantwortlich. Kaum eine Nutzpflanze sät so viel Zwietracht wie die Ölpalme, die aus Afrika stammt und längst ihren Siegeszug angetreten hat.

Konzerne, die große Plantagen in Indonesien und Malaysia betreiben, versuchen, ihren Ruf zu retten. Was der europäische Kunde über Palmöl denkt, dürfte künftig für ihr Geschäft weit wichtiger sein als früher. Denn an diesem 13. Dezember tritt eine neue EU-Verordnung zur Etikettierung von Lebensmitteln in Kraft. Wer fortan einkauft, kann auf den Packungen lesen, ob ein Produkt Palmöl enthält. Früher reichte es, "pflanzliche Fette" zu vermerken, so ließ sich der Stoff leicht verstecken.

Mit den neuen Regeln rücken auch Zertifikate in den Blick, die für angeblich nachhaltigen Anbau vergeben werden. Das bekannteste Siegel kommt vom "Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl", kurz RSPO. In diesem Gremium legen Erzeuger, Lebensmittelkonzerne und einige Umweltverbände Standards fest, die weiteren Raubbau an der Natur verhindern sollen.

Ein Heer billiger Wanderarbeiter

"Zertifiziertes Palmöl ist der richtige Weg", sagt Carl Bek-Nielsen, einer der Direktoren von United Plantations in Malaysia. Der Däne ist der Boss von Irwan, dem indonesischen Wanderarbeiter, und von 6500 weiteren Kräften, die bei UP ihren Job machen. Die Pflanzungen liegen nordwestlich von Kuala Lumpur, ihre Anfänge reichen bis 1906 zurück, damals wurde noch Gummi gepflanzt. Palmöl kam später. Um es profitabel zu machen, beschäftigt die Branche ein Heer billiger Wanderarbeiter.

Der malaysische Palmöl-Verband führt gerne Besucher hierher. Es gibt ein Forschungslabor, Schulen für die Arbeiterkinder, eine Klinik und ein Altenheim. UP war das erste Unternehmen, das ein RSPO-Siegel erhielt. Die Plantage liegt auf der malaiischen Halbinsel, weit entfernt von den umkämpften Fronten: den Wäldern der Inseln Borneo und Sumatra, wo es oft weniger transparent und sauber zugeht. UP-Manager klagen, es sei unfair, eine ganze Branche pauschal als Umweltsünder abzustempeln, wo es doch auch Beispiele für nachhaltigen Anbau gebe. In den Zertifikaten sehen solche Betriebe eine Chance, Vertrauen beim Kunden zu gewinnen.

Aber nützen die Siegel auch, um Raubbau zu verhindern? Die UN-Umweltorganisation Unep will das Zertifikat erst genauer unter die Lupe nehmen, um das zu beurteilen. "Ich kann noch nicht so weit gehen, zu behaupten, dass RSPO Regenwald schützt", sagt Unep-Experte Douglas Cress. "Aber die Siegel sind eine Chance." Cress blickt voraus, auf zukünftige Anbaugebiete in Afrika und Südamerika. Denn in Asien gehen bald die Flächen aus. "Wir wollen verhindern, dass sich die Zerstörung, die wir in Asien gesehen haben, anderswo wiederholt."

Manche Umweltorganisationen, zum Beispiel der World Wildlife Fund for Nature, unterstützen das RSPO-Verfahren. Andere, etwa Greenpeace, halten sich fern. Einige Gegner befürchten, die Siegel könnten dazu missbraucht werden, "Greenwashing" zu betreiben, also das Image von Konzernen reinzuwaschen, die es gar nicht verdienten.

Wer Satellitenbilder studiert und Analysen über den Waldverlust liest, kommt zu dem Schluss, dass die großen Schlachten um den Dschungel Südostasiens längst geschlagen sind. Man kann das vielerorts sehen. Jahrzehntelang haben Holzkonzessionäre edle Stämme in bare Münze verwandelt. So wurden allein auf Borneo, je nach Untersuchung, 78 bis knapp 90 Prozent des artenreichen Waldes zerstört, geblieben sind nur einige geschützte Inseln.

Was ansonsten als Wald deklariert wird, hat gelitten. Biotope, die auf tropischen Böden einmal verschwunden sind, kommen nur schwer wieder hoch. Meist wird es gar nicht versucht. Ist der Urwald geplündert, verwandeln multinationale Konzerne die Flächen in Holzplantagen oder pflanzen Ölpalmen an. Ökologen mahnen, dass solche Monokulturen die Erosion fördern, den Böden schaden und viel Pestizide brauchen.

Das Recht Malaysias auf Entwicklung

Lässt sich der Palmölanbau dennoch rechtfertigen? Befürworter argumentieren, dass keine andere Ölfrucht pro Hektar so große Erträge bringe. Um eine vergleichbare Menge Sojaöl zu bekommen, brauche man zehnmal so viel Platz.

Besuch beim malaysischen Minister für Plantagenindustrie, Amar Douglas Uggah Embas. Auch er verteidigt den Anbau vehement. Er pocht auf das Recht Malaysias auf Entwicklung. "Für unser Land ist dies ein sehr wichtiger Industriezweig." Regierungen, deren Länder einst unter kolonialer Herrschaft standen, wehren sich oft gegen Vorhaltungen des Westens. Das ist einerseits nachvollziehbar.

Andererseits kann das auch ein Mittel sein, um von Schwachpunkten der eigenen Politik abzulenken. Sicher ist, dass Palmöl zum Wirtschaftswachstum beiträgt. Aber wer profitiert? Mit den Abholzungen auf Borneo sind einige wenige Politiker und Geschäftsleute sehr reich geworden, wie der Schweizer Historiker Lukas Straumann in dem Buch "Money Logging" schreibt. "Die meisten Leute auf Borneo sind immer noch arm", sagt er. Und es gibt viele Landkonflikte, die sich nicht alleine, aber auch am Palmöl entzünden.

Malaysia will die Plantagen auf Borneo ausweiten. 15 Prozent der Staatsfläche sind schon mit Palmen bebaut, 500 000 Hektar zusätzlich gingen noch, sagt der Minister. In Indonesien hat sich die Anbaufläche für Ölpalmen in wenigen Jahren verzehnfacht. Und solange die Mittelschicht in Asien und Afrika wächst, dürfte der Bedarf weiter steigen. Es wird geschätzt, dass die Welt 2050 etwa 340 Millionen Tonnen Pflanzenöl verbrauchen wird, derzeit liegt der Konsum bei 190 Millionen Tonnen. Ein Drittel davon ist Palmöl. Es sieht nicht so aus, als sitze die Branche auf dem absteigenden Ast.

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