Nach dem Weltklimabericht:"Zeit für die Revolution"

Regierungen und Organisationen in aller Welt fordern einschneidende Maßnahmen gegen den Klimawandel. Und Frankreichs Präsident schlägt sogar eine "universelle Erklärung der Umweltrechte und -pflichten" vor.

Als Konsequenz aus dem neuen UN-Klimabericht haben Umweltorganisationen und Regierungen von den Industrienationen eine einschneidende Reduzierung des C02-Ausstoßes verlangt.

Klimawandel

Luftverschmutzung in China.

(Foto: Foto: AP)

In dem Papier warnen die UN-Experten, dass die Temperaturen auf der Erde bis zum Jahr 2100 wahrscheinlich mehr als doppelt so schnell steigen werden wie im vergangenen Jahrhundert. Deshalb werde es voraussichtlich zu einem Anstieg des Meeresspiegels kommen, zu mehr und heftigeren Stürmen, zu Dürren und Überschwemmungen.

Der französische Präsident Jacques Chirac hat angesichts des Klimawandels zu einem weltweiten Umweltmanagement im Rahmen der Vereinten Nationen aufgerufen.

"Die Zeit für Halbheiten ist vorbei", sagte Chirac zur Eröffnung einer internationalen Umweltkonferenz in Paris. Nach dem Vorbild der Weltgesundheitsorganisation WHO müsse das UN-Umweltprogramm zu einer vollwertigen UN-Organisation für Umwelt ausgebaut werden.

Die Konferenz wurde wenige Stunden nach der Bekanntgabe des UN- Klimaberichtes eröffnet.

"Es ist Zeit für eine Revolution: Die Revolution des Bewusstseins, die Revolution der Wirtschaft, die Revolution des politischen Handelns", sagte Chirac vor 200 Delegierten aus gut 50 Staaten.

"Der Tag rückt näher, an dem der Klimawandel jeder Kontrolle entgleitet. Wir sind an der Schwelle der Unumkehrbarkeit."

Der französische Präsident schlug eine "universelle Erklärung der Umweltrechte und -pflichten" vor.

Bericht ist eine "gellende Sirene"

Der südafrikanische Umweltminister Marthinus van Schalkwyk erklärte, nach der Veröffentlichung des UN-Berichts würden alle, die jetzt die Bedrohung und ihre Ursachen noch ignorierten, künftigen Generationen einen Bärendienst erweisen. Nichtstun sei nicht mehr zu rechtfertigen.

Sein indonesischer Kollege Rachmat Witoelar verlangte, die Industrienationen müssten sich zu einer Emissionsreduzierung von 40 bis 60 Prozent verpflichten. "Und wir in Indonesien müssen den Waldbränden vorbeugen und unsere Industrien besser überwachen", sagte Witoelar: "Wir wollen doch, dass auch unsere Enkel an der Erde Freude haben."

Greenpeace-Sprecherin Stephanie Tunmore erklärte: "Wenn der letzte IPCC-Bericht ein Weckruf war, dann ist dieser eine gellende Sirene."

Zwar habe sich das Verständnis des Klimasystems und der Einfluss des Menschen darauf verbessert. "Die schlechte Nachricht ist, dass die Zukunft immer bedenklicher aussieht, je mehr wir wissen." Tunmore sprach von einer klaren Botschaft an die Regierungen. Das Zeitfenster, um noch etwas zu tun, schließe sich rasch.

Die Umweltorganisation Friends of the Earth verlangte, die Industriestaaten müssten nun eine Vorreiterrolle übernehmen und den Entwicklungsländern dabei helfen, nachhaltige Ökonomien aufzubauen. "Die Alarmglocken schrillen. Die Welt muss aufwachen", sagte Catherine Pearce von Friends of the Earth: "Noch ist Zeit zum Handeln, aber rasches Handeln ist jetzt gefordert."

Welt-Klimagipfel der Regierungschefs vorgeschlagen

Der Chef des UN-Umweltprogramms Achim Steiner hat unterdessen einen Welt-Klimagipfel der Regierungschefs vorgeschlagen.

An diesem sollten auch US-Präsident George W. Bush und die politischen Führer der Schwellenländer China, Indien und Brasilien teilnehmen, sagte Steiner der Frankfurter Rundschau.

Die "Routine der Verhandlungen auf Beamtenebene" bringe die Welt nicht weiter. Auf der regulären Weltklima-Konferenz in Bali im Herbst müsse der Grundstein für ein neues Kyoto-Protokoll für die Zeit nach 2012 gelegt werden, sagte Steiner weiter.

Er sehe durchaus Chancen, dass die USA dann dabei seien. Wegen des Drucks aus der Bevölkerung und Industrie habe Washington seine nationale Klimapolitik bereits verändern müssen. Ohne die USA, die allein für ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich seien, sei globaler Klimaschutz nicht möglich.

Steiner forderte die Politik auf, Gesetze, Steuern und Subventionen so zu gestalten, dass umweltfreundliches Konsumverhalten belohnt werde.

Den Streit zwischen der deutschen Autoindustrie mit Brüssel wegen der von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas angekündigten CO2-Obergrenzen bezeichnete er als völlig anachronistisch: "Einen solchen Rückschritt können wir uns nicht mehr leisten."

In dem am Freitag vorgestellten IPCC-Bericht heißt es, die Temperaturen auf der Erde würden bis zum Jahr 2100 wahrscheinlich mehr als doppelt so schnell steigen wie im 20. Jahrhundert. Der Klimawandel sei "eindeutig, vom Menschen verursacht und wird sich selbst bei einer Stabilisierung des Treibhausgasausstoßes Jahrhunderte fortsetzen".

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