Musikergesicht rekonstruiert:Bachs neuer Anblick

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Eine schottische Anthropologin hat mit modernen Methoden den Kopf des Barockmusikers rekonstruiert. Sah das Musikgenie tatsächlich so aus?

Wie bei so vielen historischen Persönlichkeiten wusste man auch bei Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) bis heute nicht, wie der Musiker tatsächlich aussah.

Sah Johann Sebastian Bach so aus? (Foto: Foto: Bachhaus Eisenach/ddp)

Zwar gibt es ein Ölgemälde, für welches das Genie tatsächlich Modell gestanden hat. Das Bild stammt von Elias Gottlob Haußmann und entstand wenige Jahre vor Bachs Tod. Doch die Werke des Malers zeichnen sich durch eine relativ große Ähnlichkeit unter den festgehaltenen Persönlichkeiten aus, so dass man nicht sicher sein kann, wie naturgetreu die Abbildung Bachs Antlitz tatsächlich wiedergibt.

Das Bachmuseum Eisenach wollte es genauer wissen und beauftragte die schottische Anthropologin Caroline Wilkinson, den Kopf des Barockmusikers zu rekonstruieren. Wilkinson hat bereits die Gesichter des legendären Pharaos Tutanchamun und des heiligen Nikolaus rekonstruiert.

Diesmal stand der Gerichtsmedizinerin die Kunstprofessorin Janice Aitken von der Universität in Dundee, Schottland, zur Seite.

Zur Orientierung lagen den beiden das Haußmann-Porträt vor sowie ein Stich von Samuel Gottlob Kütner, der Bach erst 44 Jahre nach seinem Tod verewigte. Immerhin befand Bachs Sohn Carl Phillip Emanuel, das Werk sei dem Vater ziemlich ähnlich. Darüber hinaus konnte die Schottin die Totenmaske Bachs nutzen, einen bronzenen Schädelabguss sowie Skizzen und Messungen aus dem Jahre 1894.

Damals hatten bereits der Leipziger Anatom Wilhelm His und der Bildhauer Carl Ludwig Seffner versucht, Bachs Gesicht zu rekonstruieren. Und ihnen hatten die Gebeine des Musikers zur Verfügung gestanden. Jedenfalls gingen sie damals davon aus. Es war die erste medizinische Gesichtsrekonstruktion überhaupt.

Auf der Grundlage des Abgusses der Schädelknochen rekonstruierte Wilkinson das Gesicht - und sie hofft, dass sie dabei dank eines speziellen Computerprogrammes bis zu 70 Prozent richtig liegt. Den Rest musste Aitkens Kreativität beisteuern. Und wo die beiden Spezialisten sich nicht sicher waren, orientierten sie sich an Haußmanns Bach-Porträt.

Ob dabei tatsächlich zu hundert Prozent das Gesicht des Thomaskantors herausgekommen ist, kann leider niemand garantieren. Denn gewisse Unsicherheiten bestehen nicht nur bezüglich des Haußmann-Porträts. Auch ob es sich bei den Bach zugeordneten Knochen tatsächlich um die Gebeine des Musikers handelte, ist nicht zweifelsfrei geklärt.

Bach wurde am 31. Juli 1750 auf dem Johanniskirchhof vor den Toren Leipzigs begraben - leider ohne Grabstein. Erst 1894 wurde ein Sarg ausgegraben, der einer Reihe von Indizien zufolge die letzte Ruhestätte Bachs gewesen ist. Anatom His verglich den Schädel mit dem Haußmann-Porträt und stellte fest, dass Knochen und Physiognomie auf dem Bild gut übereinstimmten.

Wilkinson dagegen passte am Computer einzelne Gesichtsmuskeln so an den eingescannten Schädel an, wie sie es sonst macht, um den Opfern von Verbrechen oder Kriegen ein Gesicht zu geben. Herausgekommen ist ein großer, robuster Schädel mit einem Unterbiss und einem linken Auge, das etwas tiefer liegt als das rechte. Welche Farbe sie hatten, ist unklar.

Zu Bachs Geburtstag am 21. März wird eine nach den neuen Erkenntnissen gefertigte Wachsbüste des Barockmusikers im Bachhaus Eisenach ausgestellt.

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